Axolotl Overkill

Axolotl Overkill

»Ganz schön fett, was hier an Überdruss aufgeboten wird!« Ulrich Kriest über »Axolotl Overkill«

Axolotl Overkill

29.06.2017 15:20

Regie: Helene Hegemann; mit Jasna Fritzi Bauer, Arly Jover; Deutschland 2016 (Constantin); 93 Minuten; seit 29. Juni im Kino 

Nach dem Tod ihrer Mutter lebt die 16jährige Mifti mit ihren Halbgeschwistern Anika und Edmond in einer Berliner WG und ist irritiert. Was sie allerdings mit kessen Sprüchen und coolen Gesten gekonnt überspielt. Mifti driftet durch ihren Alltag, vorzugsweise nächtens, was die Option eines regelmäßigen Schulbesuchs zumeist erfolgreich hintertreibt. Gleichaltrige Freunde hat Mifti eh nicht. Wie auch, wenn man als 16jährige sogar noch etwas jünger aussieht, sich aber mit dem Erfahrungshorizont einer Mittdreißigerin durchs Leben bewegt.

 Von ihrer Familie hat Mifti nicht viel zu erwarten. Der Vater lebt mit seiner Geliebten in einem Designerhaus, schwadroniert über Terrorismus als aktuelle Karriereplattform und nimmt die Welt nur noch als ästhetisches Phänomen wahr. Schwester Anika, selbst hysterisch, würde gern als Ersatzmutter agieren, besäße sie auch nur einen Funken Autorität. Bruder Edmond ist lethargisch und ohne jedes Interesse. Bleibt noch die Erinnerung an die elegante Mittvierzigerin Alice, Drogendealerin für die Hautevolee der Hauptstadt, mit der Mifti eine offenbar längere Affäre hatte. Und ganz aktuell: Ophelia, Fernsehstar, wegen Volltrunkenheit am Steuer zu Sozialstunden in der Küche von Miftis Schule verdonnert. Auch Ophelia ist damit beschäftigt, ihrer Verzweiflung durch ständige Action keinen Raum zu lassen.

 Ganz schön fett, was hier an Überdruss aufgeboten wird! Dass es Helene Hegemann (»Torpedo«) gelungen ist, selbst die Regie bei der Verfilmung ihres erst gefeierten, dann geschmähten Bestsellerdebüts Axolotl Roadkill zu übernehmen, ist als Glücksfall zu werten. Bot sich ihr doch mit etwas zeitlichem Abstand die Chance, eine Wiederholung der ärgerlichen Fehlrezeption des Stoffes als Coming-of-Age-Geschichte oder gar Generationenporträt zu unterbinden. Hegemann wechselt gegenüber der Vorlage konsequent die Erzählperspektive, verweigert aber zugleich Chronologie und Linearität der Erzählung, setzt auf surreale Einsprengsel, Auftritte von Pinguinen, Alpakas und Einhörnern, stupend gut getimeten Deadpan-Humor und einen glänzenden (Theater-)Cast um die stets faszinierende Jasna Fritzi Bauer.

 Okay, »Axolotl Overkill« kommt nicht so recht vom Fleck, aber dieses Problem teilen Protagonistin und Werk mit dem titelgebenden Schwanzlurch. Ein Film mit dem porentiefen Aroma von Raucher- und Verzehrkinos.  


Ulrich Kriest