Chevalier

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echs Männer überbieten sich auf einer Luxusyacht im Spiel: Wer ist "der Beste in allem"? Athina Rachel Tsangari, Begründerin des neuen griechischen Kinos, nimmt in diesem »Buddymovie ohne Buddys« ganz normale Machos hoch. Marit Hofmann verrät in ihrer Filmkritik auch ihren All Time Favorite unter den Zwischenrufen männlicher Kollegen in Pressevorführungen.

Chevalier

21.04.2016 11:00

Regie: Athina Rachel Tsangari; mit Yorgos Kentros, Panos Koronis; Griechenland 2015 (Rapid Eye Movies); 104 Minuten; ab 21. April im Kino

Den Bechdel-Test besteht dieser Film nicht: Frauen treten gar nicht auf, kommen nur mal als Stimmen am Telefon oder als züngelndes Gesichtsdetail beim Skypen vor. Der Film könnte der feministischen Comicautorin Alison Bechdel trotzdem gefallen. Denn Athina Rachel Tsangari, Begründerin des neuen griechischen Kinos, nimmt in diesem »Buddymovie ohne Buddys« ganz normale Machos hoch.

Zunächst scheinen die sechs Kumpel noch auf einem harmlosen Ausflugstrip auf einer Luxusyacht den Männerhobbys Angeln und Angeben zu frönen. Doch das Gesellschaftsspiel Chinesisches Roulette aus Rainer Werner Fassbinders gleichnamigem Film sorgt auch hier für Eskalation. Antwortet bei Fassbinder ein Mädchen auf die Frage, was die zu erratende anwesende Person »im ›Dritten Reich‹ gewesen« wäre, »KZ-Leiterin von Bergen-Belsen« (und meint damit die eigene Mutter), lässt hier schon eine Frage wie »Was wäre die Person, wenn sie eine Frucht wäre?« die Männer ausrasten: »Ich soll eine Ananas sein?!«

Schließlich einigen sich die Midlife-Crisis- Kandidaten auf ein neues Spiel: Wer ist »der Beste in allem«? Jeder muss sich eine Prüfung ausdenken und Punkte verteilen – für den perfekten Cholesterinwert, die coolste Schlafposition, den geschicktesten Handwerker und natürlich das steifste Glied. Um herauszufinden, wer die glücklichste Beziehung führt, müssen die Männer ihre Frauen anrufen, und alle verfolgen mit gezückten Notizblöcken das Gespräch.

Nach ihren anthropologischen Studien in »Attenberg« (konkret 5/12) seziert Tsangari nun sehr treffend speziell maskuline Verhaltensweisen. Gespräche sind hier wie die sportlichen Aktivitäten Wettkämpfe in Form von Wissenstests und Koch-Know-how- Battles (»Bei wieviel Grad karamelisierst du?«). Die Absurdität des Spiels würzt Tsangari mit surrealen Lautsprecherdurchsagen der Crew (»Wir servieren heute Käsekuchen statt Zitronenkuchen. Wir bitten um Ihr Verständnis «), die sich anstecken lässt vom Selbstoptimierungskampf. Dessen Ergebnis enthält uns Tsangari konsequenterweise vor. Sicher ist: Die Männer erweisen sich während dieses Kammerspiels auf See als nicht lernfähig. Freundschaft gibt es hier keine, auch wenn zwei der Typen martialisch ihre Blutsbrüderschaft zelebrieren. Die Kamera switcht zwischen Gruppentreffen, bei denen alle ein Pokerface aufsetzen, und den lonely wolfs, die sich in ihren Kabinen verzweifelt Mut zusprechen.

Restlos überzeugt von der Qualität des Films haben mich männliche Kritikerkollegen, die auffallend aggressiv reagierten. Einer brüllte in einen vollkommen stillen Moment kurz vor Schluss hinein: »Was soll das?!« Zweifellos haben auch Filmkritiker das Zeug dazu, der Beste in allem zu sein. Mein All Time Favorite unter den Zwischenrufen der männlichen Kollegen: »Hätte ich ganz anders geschnitten!«

Marit Hofmann