Die süße Gier

Die süße Gier

Die Verfilmung von Stephen Amidons Buch Human capital porträitiert eine Gesellschaft, die bestimmt ist von Wettbewerb, Lohnarbeit und Warentausch.

Die süße Gier

21.01.2015 12:53

Regie: Paolo Virzì; mit Valeria Bruni Tedeschi, Fabrizio Bentivoglio; Italien/Frankreich 2013 (Movienet); 109 Minuten; seit 8. Januar im Kino

Humankapital kennen wir vom Hörensagen aus der Wirtschaftswissenschaft und den drögen Selbstanalysen irgendwelcher Unternehmen. Stephen Amidons Buch Human capital (auf Deutsch Der Sündenfall) beschäftigt sich allerdings nur am Rande mit Ökonomie. Aktien, Kredite, Spekulationen – das alles taucht auf. Im Kern jedoch geht es um Menschen. Und die sind noch immer durch ihr gesellschaftliches Sein bestimmt, in der Marktwirtschaft eben durch Wettbewerb, Lohnarbeit und Warentausch.

Dass der deutsche Titel des italienischen Films zum amerikanischen Roman ausgerechnet »Die süße Gier« lautet, zeugt von der Besessenheit hierzulande, seit der Bankenkrise alle ökonomische Schmach auf die Gier der Menschen zu schieben – und nicht aufs System. Doch selbst das kann Paolo Virzìs virtuose Verfilmung nicht verderben. Er versetzt das Geschehen von einer US-Phantasiestadt in die italienische Provinz Brianza und verleiht dieser mal ein pittoreskes, sonniges, mal ein düster-depressives Antlitz. In vier Kapiteln und einem Prolog erzählt er von drei im weitesten Sinne Familien, die auf der sozialen Leiter auf völlig verschiedenen Sprossen stehen: die Reichen, die Möchtegerns und die Abgewrackten. Freilich sind deren Schicksale miteinander verwoben – wie genau, offenbart erst ein schrecklicher Unfall.

Man muss nicht in die Tiefen der Sozialkritik gehen, um den Film zu loben. Die Plots sind geschickt verschlungen, verlaufen parallel zueinander und kreuzen sich in eindringlichen Bildern – etwa dem einer weinenden reichen Frau im Auto: Valerina Bruni Tedeschi verquickt elegant die Hysterie der verwöhnten, sozial aber vernachlässigten Unternehmergattin mit mütterlich-gluckenhaftem Egoismus. Überhaupt paaren sich Erkenntnis und Ignoranz, Rebellion und Schuld bis auf eine Ausnahme allenfalls in den Frauenfiguren. Der Rest scheint in seiner Bräsigkeit zu verharren und liefert damit ein leider sehr realistisches Bild der Gesellschaft. Doch obwohl uns die tragikomische Geschichte keine Hoffnung gibt, hinterlässt sie uns nicht deprimiert. Dafür quasseln die Figuren zu pointenreich durcheinander, dafür steckt zu viel Krimi in der nuancenreichen Klassenstudie.

Katrin Hildebrand