Love, Simon - Marvin

Love, Simon - Marvin

Filmindustry goes gay. "Love, Simon" und "Marvin" mischen den Hetero-Mainstream auf. Von Marit Hofmann

Love, Simon - Marvin

24.07.2018 11:06

Love, Simon

Regie: Greg Berlanti; mit Nick Robinson, Katherine Langford; USA 2017 (Fox); 110 Minuten; seit 28. Juni im Kino

Marvin

Regie: Anne Fontaine; mit Finnegan Oldfield, Isabelle Huppert; Frankreich 2017 (Salzgeber); 114 Minuten; ab 5. Juli im Kino

Filmindustry goes gay. Mit der Adaption des Jugendbuchs Love, Simon feiert endlich auch die Highschool-Romcom ihr Coming-out – spektakulär im Riesenrad. Regisseur Greg Berlanti, der LGBT-Themen bereits in US-Fernsehfilme geschmuggelt hat, verarbeitet hier eigene Erfahrungen und will ein Zeichen setzen für die nächste Generation. Viel Einfühlungsvermögen trauen er und sein Studio dem Hetero-Mainstream dann doch nicht zu. Der ungemein sympathische Protagonist muss sogleich versichern: »Ich bin genau wie du. Ich habe nur ein riesiges Geheimnis«, und das Drehbuch beeilt sich, seine Botschaft zu verallgemeinern: Steh zu dem, was du bist.

Zwar ist Katherine Langford, die in der ungleich düstereren Netflix-Jugendserie »Tote Mädchen lügen nicht« der Verlogenheit und Rape Culture ihrer Highschool zum Opfer fällt, auch hier unglücklich verliebt (in Simon natürlich), aber hey, nach seinem Outing können sie doch Freunde bleiben! Mobbende Mitschüler müssen zum Direx, die Eltern erweisen sich in pathetisch ausgewalzten Gesprächen als einfühlsam – all das, inklusive cleveren Popsoundtracks, ist so schön, da offenbart sich Simons (Brief-) Freund doch unter Beifall mit.

Wenn seine Gleichung »Schwul ist cool« aufgeht, könnte dieser keusche Popcornfilm an Schulen, wo nach wie vor das Schimpfwort »Schwuchtel« kursiert, immerhin mehr bewirken als das (über)ambitioniertere französische Coming-of-age- und -out-Drama »Marvin«. Offen schwul zu sein hätte Marvin als Jugendlicher (beeindruckend selbstvergessen: Jules Porier) in seinem Dorf vielleicht nicht überlebt. »Schwuchtel« bedeute so was wie geisteskrank, erklärt ihm sein hünenhafter Vater. Marvins Rettung sind eine Lehrerin und später Isabelle Huppert (as herself), die ihm das Theater als Raum zur Aufarbeitung der Traumata eröffnen. Ängstlich wie vor dem Schritt ins Bühnenlicht stellt sich der Schauspieler, der weggelaufen ist, um in Paris ein anderer zu werden, schließlich der Vergangenheit – »das war sehr mutig von dir« (der reuige Papa). Auch Anne Fontaines seltsam unfertige Studie, die Zeitebenen überblendet und sich lose an Edouard Louis’ Roman Das Ende von Eddy ( 4/15) orientiert, hat ihre Berechtigung, ohne filmisch zu überzeugen.

Marit Hofmann