Kann das weg?
Stefan Gärtner über die AfD-Verbotsdebatte
Wäre das Leben einfach, wär’s diese Sache auch: Eine Partei, die Massendeportationen fordert und Deutsche mit Migrationsgeschichte völkisch als »Passdeutsche« verunglimpft; eine Partei, die von einer unwoken Behörde wie dem Verfassungsschutz als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft wird und Leute in den Bundestag entsendet, die sich als »freundliches Gesicht des NS« verkaufen; eine Partei, wie sie sächsischen Handwerksmeistern gefällt, die per Zeitungsannonce Lehrlinge suchen, aber »keine Hakennasen« oder »Bimbos« – eine solche Partei gehört verboten, und man darf dem Heribert Prantl gern recht geben, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes sich genau das gedacht haben, als sie die Möglichkeit des Parteiverbots vorsahen.
Nun ist das Leben auch deshalb so kompliziert, weil sich so gut der rechte Zeitpunkt verpassen lässt. Im zweiten NPD-Verfahren 2017 kam es nicht zu einem Verbot, weil die NPD eine Kleinpartei war und Karlsruhe »hinreichende Anhaltspunkte von Gewicht« fehlten, »die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen«. Der Gegner war damals zu klein, jetzt er ist eigentlich zu groß: Im Osten ist die AfD flächendeckend stärkste Partei, stellt im Bundestag knapp hinter der CDU die zweitgrößte Fraktion und hat im braven Baden-Württemberg sogar die staatstragenden Grünen in Umfragen überholt. »Das Bundesverfassungsgericht«, weiß Wikipedia, »orientiert sich bei einem Parteiverbot zusätzlich an dem Kriterium des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach ein ›dringendes soziales Bedürfnis‹ Voraussetzung ist«, ein Bedürfnis, das über zehn Millionen Deutsche nachweislich nicht haben.
Die Angst ist berechtigt, dass ein AfD-Verbot wie eine politische Entscheidung zur Konkurrenzbeseitigung aussieht, und das Gros der AfD-Wähler, zumal im Osten, wird hernach nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zurückkehren, sondern endgültig für sie verloren sein. Dieser Ungeist ist aus der Flasche, und nicht einmal Zahnpasta geht ja in die Tube zurück. Den Versuch ist es trotzdem wert, und sei’s, damit ich nicht unken muss, die Drohung mit dem »Anstreicher« (Brecht) Chrupalla diene dazu, mich »linksradikalen Satiriker« (»Die Zeit«) auf Kurs zu bringen.