Nachfrage

Heute vor 50 Jahren legten Unbekannte Feuer im Wohnheim der Israelitischen Kultusgemeinde München. In konkret 2/17 schrieb Olaf Kistenmacher über den damaligen Stand der Ermittlungen und das Desinteresse der Linken an den Münchner Vorfällen.


Schwer zu begreifen, dass dieses Verbrechen in Vergessenheit geraten konnte: Am 13. Februar 1970 legten Unbekannte Feuer im Wohnheim der Israelitischen Kultusgemeinde München. Sieben Überlebende der Shoah starben. Bis heute ist nicht geklärt, wer für den Brandanschlag verantwortlich ist, obwohl die Generalbundesanwaltschaft im August 2013 die Ermittlungen erneut aufgenommen hat.

Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin, zog 1970 eine Verbindung zu dem glücklicherweise fehlgeschlagenen Attentat drei Monate zuvor, das die Tupamaros Westberlin/Schwarze Ratten begangen hatten. Albert Fichter, ein junges Mitglied, hatte am Abend des 9. November 1969 einen Sprengsatz im Jüdischen Gemeindehaus gelegt. In der Szenezeitschrift »Agit 883« hatte die Gruppe um Dieter Kunzelmann die Verantwortung übernommen. Ihre Erklärung ist exemplarisch für den linken Schuldabwehr-Antisemitismus. Ihr Anschlag sei gerechtfertigt, schrieben sie 1969, weil aus »den vom Faschismus vertriebenen Juden« mittlerweile »selbst Faschisten« geworden seien, die »das palästinensische Volk ausradieren wollen«.

In seinem Buch »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?« München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus hat Wolfgang Kraushaar Galinskis Vermutung wieder aufgenommen. Er konnte dafür aber keine Beweise liefern. Anders als beim Berliner Anschlag fehlt ein geständiger Täter, und die neugegründeten Tupamaros München distanzierten sich seinerzeit in einer Pressemitteilung von der Tat. Die Medien und der Staat würden, schrieben sie, nun »versuchen, uns auch den Altersheimbrand in die Schuhe zu schieben. Lasst euch gesagt sein: Wir treffen keine Unschuldigen!« Zugleich lieferten die Tupamaros München für die Tat eine Verschwörungstheorie. Das Feuer müsse jemand gelegt haben, der »die Hexenjagd auf die Feinde des US-zionistischen Imperialismus« entfachen wolle.

Weil Kraushaar lediglich Indizien präsentieren konnte, wurde sein Buch da und dort verrissen (siehe konkret 4/13). Unabhängig von der inhaltlichen Kritik an Kraushaars Methode ist das Desinteresse innerhalb der Linken an den Münchner Vorgängen bemerkenswert. Als könnte man beruhigt sein, wenn niemand aus den eigenen Reihen für den Anschlag verantwortlich ist. Und dann? Da der Brand erwiesenermaßen an mehreren Stellen gelegt wurde, würde das bedeuten, dass die Täter, Neonazis zum Beispiel, noch immer unentdeckt sind.

Wie die Generalbundesanwaltschaft mitteilte, wurden die Ermittlungen "mangels weiterer erfolgversprechender Ermittlungsansätze" eingestellt. Gibt es tatsächlich niemanden in Bayern, der noch etwas herausfinden kann?

Olaf Kistenmacher

An den Anschlag erinnert eine Gedenkaktion von Christian Springer und der Initiative Schulterschluss am Münchner Theater am Gärtnerplatz. Am 16. und 23. Februar sowie am 1. März werden geführte Rundgänge mit Christian Springer und Bernhard Purin angeboten.