Das melancholische Mädchen

Kino aktuell

Das melancholische Mädchen

Susanne Heinrichs Film erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau in der Großstadt, konfrontiert mit verschiedenen Männern und ganz gewöhnlichen Frauen. Gute Idee, aber leider zahnloser Süße-Mädchen-Feminismus, findet Katrin Hildebrand.

Regie: Susanne Heinrich; mit Marie Rathscheck, Nicolai Borger; Deutschland/ Frankreich/ Dänemark 2019 (Salzgeber); 80 Minuten

Die Idee ist wirklich gut. Man schicke eine ungewöhnliche Frau durch die Großstadt, konfrontiere sie mit verschiedenen Männern und ganz gewöhnlichen Frauen. Daraus könnten sich – mit feinem Gespür für Absurditäten und gesellschaftliche Abgründe – wunderbare Szenen, ja, ein ganz wunderbarer Film ergeben: bissig, fies, satirisch, gemein, übergriffig, widerwärtig und entlarvend. In »Das melancholische Mädchen« gibt es genau eine Episode, auf die das zutrifft. Die Protagonistin, leider wirklich mehr ein Mädchen als eine Frau, gerät auf ihrer Reise durch die Stadt – offiziell ist sie auf der Suche nach einem Schlafplatz – an eine durch und durch normale und ebenso durch und durch gestörte Müttergruppe. Was diese Damen treiben und daherschwätzen, erinnert an eine Sekte. Genauso real wie die Vereinigungen religiöser Spinner ist dieser Typus der perversen, im Kern autoaggressiven, sich bis zum Exzess demütigenden Weiber. Perfekt dazu passt die Farbgebung des Films: viele Pastelltöne, alles irgendwie widerwärtig hell, watteweich, die sozialen Klüfte verhüllend, den heimlichen Hass süßlich bedeckend.

Leider hält Regisseurin Susanne Heinrich die Brachialgewalt, die da kurz mit Karacho die Ideologie zerschmettert, nicht durch. Freilich haben viele der folgenden Episoden ihre Momente, ihre Pointen und ihre kritischen Ansätze. Doch auf den Punkt kommt der zahnlos-melancholische Süße- Mädchen-Feminismus nicht mehr. Es fehlt an Brisanz und an einem durchdachten Drehbuch, einer echten Geschichte. Statt dessen reiht sich Moment an Moment, Gleiches an Ähnliches, ein nett gemeinter Slogan an den anderen. Doch ein Slogan ist noch keine Theorie, eine Aneinanderreihung von Immergleichem keine Avantgarde. Die Schauspieler agieren in Theatermanier und sprechen ihre Dialoge bewusst artifiziell, natürlich, um das Absurde zu betonen, sich nicht mit den sozialen Realitäten zu identifizieren. Im Bühnendrama ließe sich das eine halbe Stunde lang ertragen. Im Film nicht länger als 15 Minuten, da das Künstliche irgendwann nicht mehr aufrüttelt, sondern Selbstzweck wird. Da weicht die anfängliche Neugier schnell dem genervten Blick auf die Uhr und dem Drang, die Leinwand mit einem »Willst du mich verarschen oder einfach nur nerven?« anzubrüllen.

Schade. Katrin Hildebrand