LK 1

literatur konkret Nr. 1

Warum Literatur und die auch noch konkret? 
 
Gibt es nichts Wichtigeres zu tun, als ein neues Literatur-Magazin zu machen? Lethargie und Verkrustung, die unproduktivsten aller Bedingungen, beherrschen Politik, Ökonomie und Kultur der Bundesrepublik 1977. Die ehrenwerte Bourgeoisie betreibt fast laut-, doch nicht wirkungslos die Stabilisierung ihr nützlicher Verhältnisse, die ehemalige Partei der Arbeiterklasse, von der doch häufig Impulse ausgegangen waren zur Humanisierung unserer Welt, läßt sich in einem beispielhaft wiederholten Akt aufgeschwätzter Selbstdisziplinierung zum Geschäftsführer eines Gegners machen, der nicht mehr Klassengegner genannt werden darf - in dieser trost- und hoffnungslosen Lage verkommt auch Literatur. 
 
Resignierte Dichter und Denker widmen sich ihrem Innersten, weil die Schauplätze der Veränderung außerhalb ihres eurozentrischen Weltbilds liegen, 
 
und sie auch niemand mehr nach ihrer Meinung fragt. So sind es auch nicht mehr Ideen, Pläne, Utopien, Hoffnungen, um deretwillen die meisten Autoren schreiben und um deren Veröffentlichung sie kämpfen. Publiziert wird, was sich problemlos verkaufen läßt. Erst kommt der Markt mit seinen Lücken, dann das Buch. 
 
»Das einzige Publikum, das heute noch Kunstverstand hat«, erklärte unlängst der Stückeschreiber Hartmut Lange, »steht nicht links. Die Linken sind ungeheuer barbarisch. der Kunstverstand ist heute konservativ.« Es ist wahr: Jenes Blatt, dessen politischer Teil für eine militärische Vorwärtsstrategie wirbt, hat das feinsinnigste Feuilleton. Und wahr ist auch, daß sich linke Kulturkritik zu oft einer jede Ästhetik verachtenden Schonung politisch gutgemeinten Schrifttums schuldig macht. Aber so richtig barbarisch im Sinne der herrschaftlichen Kultur des vergehenden Bürgertums ist erst das linke Interesse für die Bedingungen, unter denen die Tempel errichtet wurden, unter denen heute Literatur hergestellt und gefeiert wird. 
 
Mit solcher Barbarei kann und will »Literatur Konkret« seine Leser nicht verschonen. Die Kreuzworträtsel fachidiotischer Literaturkritik müssen sie sich woanders suchen. Hier soll es um die Analyse der Funktionen, Absichten und Wirkungen von Literatur gehen, um ihre materiellen Voraussetzungen und Ziele. 
 
Dabei stellt sich heraus: Die Literatur ist nicht tot. Nur sind ihre vielfältigen Funktionen als Öffner, Ersatz und Verhinderer reduziert auf die konservierenden Komponenten Literatur als Zeitvertreib, Sinnenkitzel, Scheinbefriedigung. Dergleichen lenkt ab von der Mangelhaftigkeit der herrschenden Ordnung, macht sie erträglich, kaschiert sie. 

Es kömmt nicht darauf an, darüber zu jammern (philosophieren), es kommt darauf an, diesen Zustand zu ändern. Auch durch Literatur und ihre Kritik. Auch durch »Literatur Konkret«. 


Inhalt

Warum Literatur und die auch noch konkret? von Karl Pawek

Wir brauchen Heinrich Böll von Günter Wallraff
 
Wer ist ein Schriftsteller? von Martin Walser
 
Poetik-Vorlesung von Hans Magnus Enzensberger
 
Nachruf auf die liberale Öffentlichkeit von Michael Zeller
 
Beate Klöckner - auf der Suche nach gehobener Identität von Lottemie Doormann
Von einer jungen Autorin der 70er Jahre berichtet Lottemie Doormann
 
Ästhetik der Banalität
Ein literarischer Baiser, komponiert und geformt von Peter Handke zu Ehren des Dichters Herbert Achternbusch, eines unverständigen Publikums wegen zurückgehalten bei der Verleihung des Petrarca-Preises, nachtäglich serviert in der 'Zeit' »Gegen Demagogie und den Klatsch; für die Literatur«, als bruchstückhafte Kostprobe zum Abschlecken präsentiert den kunstsüchtigen Lesern von `Literatur Konkret`
 
Bestseller, Reizpartien, Schrott von Erdmute Beha
». . . Je anarchischer die Buch-Industrie arbeitet, desto effizienter ist sie . . .«
 
Der Einzelne und sein Verband von Peter O. Chotjewitz
 
PREISREDE von Peter Maiwald
 
Etwas Idylle, etwas Realität von Rudi Bergmann
 
Verlage Verleger Verlegtes
 
Das Hoche Lied von Karl Hoche
Interview des KONKRET-Mitarbeiters Karl Hoche mit dem Satiriker Karl Hoche über den Fall Hoche
 
DER GEDICHTESCHREIBER von Peter Maiwald
 
Modell Schweden von Christoph Rodig
 
Bücherklau
Manche Buchhändler blicken nur mehr resigniert-lächelnd in die Kasse, andere fühlen sich in ihrer Existenz bedroht: Zwischen einem und fünf Prozent des Umsatzes holt sich der Bücherklau
 
WEGWERE-LITERATUR von Alfred Andersch
»Alles, was den Namen Literatur überhaupt verdient, kristallisiert sich um einen linken Kern.«
 
SCHWÄCHE von Peter Maiwald
 
Das Kochbuch und seine Zukunft von Friedrich Ernst
 
Lohn der Bescheidenheit: Literaturpreise von Pawel Klinger
Das Klagenfurter Literaturmarathon und Herbert Achternbuschs Verweigerung des Petraca-Zeremoniells brachten Literaturpreise wieder ins Gerede. Doch lange schon waren sie ein Ärgernis nicht nur für jene, die leer ausgingen
 
Reich-Ranickis gesammelte Sprüche zu Fragen der Kunst und Politik
 
Was liest der Prolet? von Kaspar Maase
 
Matière Grasse im Kulturbetrieb von Hartmut Schulze
Warum der »Butt« ein Bestseller ist
 
Frauenbewegung und Linke in der BRD von Hermann Peter Piwitt
Vor einiger Zeit traf ich in Italien einen Freund wieder. Er steht politisch links und lebt mit einer italienischen Feministin zusammen. »Wie ich mich fühle?« sagte er, »sauwohl! Keine Launen, keine Hysterien mehr im Haus! Kein Kettengerassel, um einem Schuldgefühle zu verpassen. Endlich eine Frau, die man ernstnehmen kann.«Rezensionen
 
Ein fortschrittlicher Bestseller von Ulrich Clement
 
NACHRUF von Erich Fried
 
Mitten in der herrschenden Fremde von Christian Geissler
 
SOFORTGEDICHT von Natias Neutert
 
STREIT DER DICHTER von Volker Braun
 
Lyrisches Logbuch von Yaak Karsunke
 
Giovanna oder das Ende der Schinderei von Gerd Fuchs
 
RUNDSCHREIBEN von Peter Maiwald
 
Eine alte Dame wird entdeckt von Manfred Behn
 
Ein Clown ohne Illusionen von Ludwig Fels
 
Karl Kraus und das Bürgerpack von Hermann L. Gremliza
 
KSP und die Sprache der Dinge von Hans Platschek
 
Die Unschuld eines Phänomens von Reinhard Kühnl
 
Strategien des Kapitals von Jörg Huffschmid
 
Ein enttäuschter Revolutionär von Karl Pawek
 
Marxismus aus Japan von Hans Heinz Holz
Die Einheit des philosophisch-theoretischen Denkens mit der Praxis des Befreiungskampfes
 
Solidarität mit dem Fußvolk von Horst Tomayer
 
Freiheit statt Sozialismus von Addi Boettger
Eine namentlich nicht genannte Jury verlieh den ersten alternativen Friedenspreis der
Arbeitsgemeinschaft alternativer Verlage (AGAV) an K. H. Z. Solneman, der selbst wiederum anonym bleiben möchte.
 
Kann Deutschunterricht Spaß machen? von Karlhans Frank-Ostkamp
»... sie halten Literatur für etwas Totes und Literaten für Fossilien . . .«
 
Das Ende der »Schwarzen Kunst«
Fotos: Arbeiterfotografie-Diener Mielke
 
Blender und Falschmünzer von Friedrich Hitzer
 
Literatur im Knast von Peter-Paul Zahl
 
Buch- und Schicksalsgemeinschaften von Martin Buchholz
»... und ewig singen die Wälder...«
 
Literatenhatz von Bernt Engelmann
Bernt Engelmann, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in der IG Druck und Papier, läßt sich nicht einschüchtern durch die Kampagne der Verleumdung all jener Autoren, die noch Kritik wagen an den herrschenden Zuständen. Er fragt vielmehr nach den Ursachen der Verteufelung auch in liberalen Blättern.
 
Kommentierte Bibliografie
Die mit* versehenen Titel lagen bis Redaktionsschluß nicht oder nur ausschnittsweise vor.