VON konkret

Im Januar 1998 meldete konkret: »Beginnend mit dieser Ausgabe erscheint in konkret unter dem Kolumnentitel ›Jetztzeit‹ jeden Monat ein Gedicht von Peter Hacks. Die Pilot-Verse sind mit ›Gedenkstätte der Sozialisten‹ überschrieben und befinden sich auf Seite 19 dieses Heftes.« Artikel zu Turnvater Jahn, zu Christoph Martin Wieland und zur Aufklärbarkeit des Absolutismus hatte Hacks schon vorher in konkret veröffentlicht. Das Verhältnis des Vertreters der sozialistischen Klassik zur Zeitschrift für klassischen Sozialismus war jahrelang eng und innig. Zu den 24 Gedichten und Couplets, die »in großen Teilen ein Requiem auf die Deutsche Demokratische Republik« sind (Georg Fülberth), zählen Klassiker wie »Rote Sommer« (6/98), »Appell« (11/98) und natürlich »Das Vaterland« (12/98). Die Resonanz war groß. Heft für Heft beschwerten sich Leser über den Stalinismus und Sexismus, den sie aus Gedichten wie »Venus und Stalin« herauslasen: »Ein milder Glanz geht, eine stille Pracht / Unwiderstehlich aus von diesem Paar. / Die Liebe und die Sowjetmacht / Sind nur mitsammen darstellbar.« Dieses Missverständnis versuchte der damalige Kulturredakteur, Rayk Wieland, in literatur konkret 1999 aufzuklären:

Das Gedicht »Venus und Stalin« (7/98) erörtert keine biografischen und quasi pornösen Orgien des ins Mythologische überhöhten Staatsmanns mit einer prominenten Geliebten, sondern enthält in nuce Hacksens poetisches Programm. … Das Quellbach-Idyll, das er schildert, ist weniger glaubwürdig noch als das Schwarzbuch des Kommunismus. Das Gedicht bekräftigt, indem es die Darstellung des Sozialismus ohne Liebe, also mit Missgunst, abweist, lediglich den zur Inspektion unabdingbaren Klassenstandpunkt.

Am 28. August 2003 starb Peter Hacks. Anlässlich seines zwanzigsten Todestags schien es angemessen, seines literarischen und politischen Werks zu gedenken. Die Redaktion bat den Hacks-Kenner Alwin Steglich um eine Darstellung von Hacks’ Wirken als politischer Schriftsteller in DDR und BRD und Marco Tschirpke, der mit seiner Gedichtkolumne Hacks’ Erbe in konkret angetreten hat, um eine Würdigung des Lyrikers. Steglich sagte zu (siehe Seite 53), Tschirpke ab:

Mein Dienst am Hacks ist abgeleistet. Ich hätte der Sekundärliteratur nur Drittklassiges hinzuzufügen. Werft mich nicht zurück auf meinen Gott, wo ich doch freizustrampeln mich habe und kaum genug Schokolade im Schrank, um mein Mütchen aufzuwärmen! Hacks leider ist tot, und Schluss mit der Dichtkunst in Deutschland. Als Ziegenmelker fristet unsereins sein Dasein und fiept seine matten Gesänge im Schatten der Nachtigall. In unserem Flur, endlos sich hinziehend bis ins stumpfwinklige Hinterzimmer, hängt ein Zeitungsfetzen: »ND« vom 28. August 2018. Darauf ein Foto: P. H. als Bengel auf einer Bank; im Blick schon die Zukunft und die Selbstgewissheit. Es ist die Epoche, die Helden oder Schurken macht. Momentan übrigens findet gar keine Epoche statt. Außer einem Wiederkäuen kann ich nichts erkennen. Ein Ochse muss es sein. Ab und an häng’ ich ihm hin und wieder eine Glocke um und gehe stumm meiner Wege.

Hiermit bittet die Redaktion Autorinnen und Autoren, Anfragen in Zukunft, wenn überhaupt, nur noch druckreif abzusagen.

 

Für konkret 7/23 verfasste Elena Wolf einen Nachruf auf »Deutschlands frechsten Sklaven« (Dietmar Dath) und kam zu dem Schluss: »Von Arno Dübel lernen heißt leben lernen.« Und schon machen sich die Jünger bereit, das Wort in die Welt zu tragen, denn am 17. Juli erreicht die folgende E-Mail die Redaktion:

Moin moin an die konkret-Redaktion,

In dieser Mail möchte ich Ihnen die Performance/Demonstration vor der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg vorstellen.

Der Kaleu – der faulste Deutsche – steht mit einem großen Schild und weißer Marineuniform vor der Bundesagentur. 4 Wochen, vom 3. bis zum 28. Juli. Jeden Werktag von 7.00 bis 11.00 Uhr. Auf dem Schild steht: der Kaleu = Arbeit scheu. Ausnahme: Montag, 10.07. Da wird der Vater 90 Jahre. Im ganzen darf die Demonstration an die Anfänge der Fridays-for-Future-Bewegung erinnern. In diesem Fall: www – we won’t work …

In Erinnerung an Arno Dübel demonstriere ich in Berlin und Nürnberg mit einem Trauerflor am Arm.

Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung; vielleicht kommt das »Volk«, das Peter Hacks einst als »obermieses« beschrieb, ja doch mal auf andere Gedanken als bloß auf den einen: »Ausländer raus!«