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Der Feind meines Feindes

Warum der Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen« bei Springers »Welt TV« vor der Islamisierung warnt. Von Stefan Gärtner

Man muss nicht immer einer Meinung sein mit Leuten, mit denen man einer Meinung ist, und geht es vielleicht um anti-russische Propaganda und darum, an wessen Seite der heutige Nato-Partner Finnland 1944 stand (auf der falschen), dann würde ich, schon um mich nicht dem Vorwurf prorussischer Propaganda auszusetzen, den sowjetischen Überfall nicht unterschlagen, der im Nachgang des Hitler-Stalin-Pakts zum sogenannten Winterkrieg 1939/40 führte und mit Annexionen auf Kosten Finnlands endete. 
Genauso hat Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«, erst mal Recht, wenn es um Israel geht und darum, wie tendenziell einäugig die deutsche Berichterstattung ist und dass »fast nie erwähnt wird, was die israelische Regierung alles unternimmt, um Zivilisten zu schützen, und was die Hamas zugleich tut, um den Blutzoll der eigenen Bevölkerung in die Höhe zu treiben, damit der Krieg der Bilder gegen Israel gewonnen wird« (konkret 7/25). Und wirklich hört es ja nicht auf; »Süddeutsche Zeitung«, 1. Oktober: »Das israelische Vorgehen hat laut den Vereinten Nationen und der Gesundheitsbehörde in Gaza bereits 65.000 Palästinenserinnen und Palästinenser das Leben gekostet.« Als gehörten zum Kriegführen nicht immer zwei; und dass die Hamas hier nicht mehr vorkommt und an all den Toten ganz unschuldig ist, kennzeichnet den Stand der Ermittlungen.
In dieser Atmosphäre hat sich Engel ins »Welt TV« gesetzt, um eine »Welt«-Recherche zu kommentieren, wonach Asylanträge in Deutschland zu 90 Prozent befürwortet werden, wobei jetzt Springer unterschlägt, dass immer weniger Menschen dazu kommen, überhaupt einen zu stellen. »Wir sitzen«, sagt also Engel, »gesellschaftlich auf einem Pulverfass mit Blick auf Migration und mit Blick auf illegale Migration, und auch das bekommen die Bürger natürlich mit: Überlastung der Kommunen, Überlastung des Bürgergeldes, Überlastung der großen Vermögen«, halt, das war ein Witz, das hat Engel nicht gesagt. Gesagt hat er: »Ich bin da immer sehr dafür, uns nur aufzuhalten bei empirischen Fakten und nicht sozusagen bei der politischen Wertung dann; es gibt diese Umfragen beziehungsweise Studien, dass rund um das Jahr 2040 beziehungsweise 2050 in Deutschland dann womöglich – oder nicht womöglich, sondern voraussichtlich – es eine islamische Mehrheit geben wird«; womit er, der sich mit Wahnerzählungen doch eigentlich auskennen müsste, tatsächlich die Wahnerzählung vom Bevölkerungsaustausch weiterträgt. »Das Gros der muslimischen Bürger in diesem Land ist genauso bürgerlich wie Sie und ich, und es gibt aber innerhalb dieser Gruppe, die sehr, sehr groß ist, eine Minderheit, die dann aber wieder so groß ist, (dass sie) dieser Gesellschaft Probleme bereitet. Das Thema Kriminalität, das Thema innere Sicherheit, das Thema Antisemitismus, das Thema Frauenbilder, das Thema Nicht-arbeiten-Wollen«, und mindestens dieses Thema kenn’ ich; und möchte aber nicht ausschließen, dass es einen jüdischen Deutschen besorgen kann, wenn zu den deutschen Antisemiten noch muslimische hinzukommen. Denn zwar ist das Geschmackssache, ob man es für diskriminierend hält, Muslimen ihren Antisemitismus vorzuwerfen, wo der sich von unserem am Ende nicht unterscheidet; gleichwohl ist jeder Judenfeind einer zuviel, und ganz unverständlich ist das dann nicht, wenn Engel die Aussicht auf eine Million Muslime als Neubürger bedrohlicher findet als die auf eine Million Buddhisten. 
Einer der Hauptbeschleuniger des Nahost-Zanks ist immer das vererbbare »Rückkehrrecht« gewesen, also die groteske Zumutung, die es für Israel bedeuten würde, im eigenen Staat unter »zurückgekehrten« Palästinensern – von denen die meisten das Land, in das sie da zurückkehren würden, nie gesehen hätten – als Minderheit zu leben; denn wenn man wo weiß, wie das enden kann, Minderheit unter feindlicher Mehrheit zu sein, weiß man’s da. In der Minderheit sind deutsche Juden auch, und zwar gegenüber gleich zwei Mehrheiten, und wer Angst hat, da unter die Räder zu kommen, mag hoffen, es werde bei relativer Toleranz und Miteinander unter Polizeischutz bleiben; sicherer ist der Schulterschluss mit der stärkeren Mehrheit, die das Gewaltmonopol und offiziell nichts gegen Juden hat, auch wenn darauf kein Verlass ist: So sind wir mit den Juden gegen die uns überfremdenden Kaffer, stellen uns aber sofort auf deren Seite, wenn es gegen Israel geht. Es mag die Lage der deutschen Juden kennzeichnen, dass es unterm Aspekt von Leib und Leben noch dann plausibel ist, sich als guter Deutscher zu empfehlen, wenn wir uns daran erinnern, dass auch 1933ff. die jüdischen Landsleute dachten, als gute Patrioten und Kriegsteilnehmer könnten sie doch unmöglich zu Vaterlandsfeinden und für vogelfrei erklärt werden. Kriminalität, innere Sicherheit, Antisemitismus, Frauenbilder, Nicht-arbeiten-Wollen – Engel verpackt seine Sorge in die Sorgen der Mehrheit, und ein Freund ist allemal der, der denselben Feind hat. Der Deal lautet hier: Ich mit euch gegen die Clan-Faulenzer, die ihre Frauen verschleiern, ihr mit mir gegen dieselben Faulenzer, die mich als Israeliten hassen. 
Daran ist zumal das pauschale Urteil hässlich, das der muslimischen Judenfreundschaft nicht eben zuarbeitet; wer aber die Szenen vom 7. Oktober 2023 noch vorm geistigen Auge hat, als Muslime vor Freude auf Berliner Straßen tanzten, und wer die deutsche Opfererzählung kennt, die sich, kostet das israelische Vorgehen Menschen- und zumal Kinderleben, darin wiedererkennt, dass Krieg und Verderben tatsächlich stets von Juda kommen, wird vielleicht verstehen, warum sich der Chefredakteur einer jüdischen Zeitung rechts andient: Da ist die Macht. Und links, da liebt man den Islam und hasst Israel. Noch Fragen? 
Stefan Gärtner schrieb in konkret 10/25 über eine üble Verrenkung der »Süddeutschen Zeitung«

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