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Meine Freiheit muss nicht deine sein

Die CSU plant, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beschränken. Von Stefan Dietl

Für das deutsche Kapital ist die EU ein Erfolgsgarant. Das hiesige Exportmodell basiert vor allem darauf, die europäischen Nachbarn mit Gütern deutscher Produktion zu überschwemmen. Ohne Zölle und dank des Euro sogar ohne Währungsauf- und abwertungen. Die europäische Einigung ist für den Standort Deutschland die Voraussetzung zur Durchsetzung in der internationalen Staatenkonkurrenz.
Doch das Ressentiment ist für die deutsche Politik bekanntlich oft größerer Antrieb als schnöder Mammon, und so werden aus rassistischen Erwägungen Grundprinzipien der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft trotz allem immer wieder in Frage gestellt. So derzeit einmal mehr von der CSU. Dass nicht nur Waren und Dienstleistungen ungehindert die europäische Binnengrenzen überqueren können, sondern auch deren lohnabhängige Produzenten, ist der CSU schon lange ein Dorn im Auge. »Armutsmigration«, »Einwanderung in die Sozialsysteme«, »organisierter Sozialbetrug« sind die Stichworte, unter denen sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit, insbesondere für osteuropäische Beschäftigte, ins Visier nimmt.
»Wer betrügt, der fliegt«, hieß es einst bei Seehofer. Heute klingt es etwas feinsinniger, aber die Melodie bleibt gleich. CSU-Generalsekretär Martin Huber will »die Arbeitnehmerfreizügigkeit schützen, indem man sie einschränkt«. Das ist ungefähr so logisch, wie das bayerische Wirtshaussterben durch ein Alkoholverbot aufhalten zu wollen. Dass diese argumentative Absurdität kaum auf Kritik stößt, verdankt die CSU vor allem dem Umstand, dass sie damit die weitverbreiteten rassistischen Stereotype der deutschen Mehrheitsgesellschaft bedienen kann. 
Während das Bild des Bulgaren und Rumänen, der auf der Jagd nach Hartz IV die deutschen Grenzen überquert, die Medienöffentlichkeit bestimmt, redet niemand über die Hunderttausenden osteuropäischen Arbeitsmigranten, deren gnadenlose Ausbeutung am Rande der Legalität die Grundlage für die Milliardenprofite in zahlreichen Branchen legt. Ob Spargelstechen in der deutschen Landwirtschaft, Schlachten bei Tönnies, das Schleppen von Paketen oder die Pflege von Alten und Kranken – ohne migrantische Arbeitskraft würde das »Modell Deutschland« schlicht zum Erliegen kommen.
Schade, dass wir nicht in Verhältnissen leben, in denen es den Ausgebeuteten und anschließend Erniedrigten möglich ist, einfach zu sagen: Dann macht euren Dreck doch alleine.

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