Links & Rights

Gemeinnutzlappen

Peter Kusenberg über Datenschutz in der Corona-Krise

Anfang April im Online-Fernsehen: Das Lokalmagazin der Millionenstadt berichtet von Polizisten, die »auch nur Menschen sind« und »mit Augenmaß« kontrollieren, ob sich die Stadtbewohner an die Vorschriften halten, etwa immer rechts vom Strich halten, mit dem die Behörden die Laufrichtung vorgeben. Die Passanten tun’s, und sie »haben Verständnis« für die Polizisten. Denn wenn sich nicht alle an die Regeln halten, »dann können wir auch alle arbeiten gehen«, wie eine hip gekleidete junge Großstädterin ins Mikro spricht; eine andere fügt hinzu: »Letztendlich geht’s ja um die Gesundheit.« Der Moderator fasst zusammen: »Bemerkenswert aber immerhin, wie diszipliniert, verantwortungsvoll und gefasst die Hamburger mit der eigentlich extremen Situation in der Stadt umgehen.« Gehen sie alle rechts und strecken im Zweifelsfall »den Arm nach vorn, die Hand auf Augenhöhe« (Grußanweisung 1936), lassen sie sich genausogut vom Chef via Konferenz-Software à la Zoom und Chat-Programmen wie Slack ausspionieren, oder sie installieren Vericlock und erlauben es dem Dienstgeber, dass er alle Tastenanschläge auswertet – zum gesundheitlichen Wohl der Mitarbeiter*innen, versteht sich.

Nicht wenige Mitmenschen sind scharf darauf, sich die Tracking-Software Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing (Pepp-PT) aufs Mobilgerät zu laden, damit die Behörden erkennen, ob die Smartphone-Bürger*innen mit Covid-19-Patient*innen in Kontakt getreten sind. Pepp-PT haben internationale Wissenschaftler*innen, IT-Expert*innen des Heinrich-Hertz-Instituts für Nachrichtentechnik, die Bundeswehr sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entwickelt. Die Software soll registrieren, wann ein Mensch mit der App einem anderen mit der gleichen App nahe gekommen ist. Sollte sich eine Infektion bei einem der beiden ergeben, wird der zweite sofort informiert, insofern der erste Nutzer die Erlaubnis zum Auslesen seiner Daten erteilt.

Angeblich wollen die Behörden den Datenschutz gewährleisten, und: Es dient ja einer guten Sache und vermeidet eine personengebundene Ortung, die in Südkorea bereits potentielle Opfer von Lynchmobs hervorgebracht hat, nachdem Behörden sämtliche virusaffinen Daten
gesammelt und verarbeitet hatten. Andererseits: Sich vorzustellen, welch feuchte Träume eine solche Software den Exinnenministern Wilhelm Frick oder Manfred Kanther beschert hätte und was Horst Seehofer damit anstellte im Bewusstsein einer Gesellschaft aus derart staatstreuen Gemeinnutzlappen, dazu bedarf es wenig Phantasie.

Peter Kusenberg