Aus der Löwengrube

Stefan Gärtner über den deutschen Literaturweltstar Daniel Kehlmann

 

Der Roman Tyll des deutschen Literaturweltstars Daniel Kehlmann ist mit dem Klappentext identisch: Wer den Klappentext kennt, kennt den Roman, der nur aus Inhalt besteht. Die SPD ist ja seit Schröder sehr für „Inhalte“, und Kehlmann ist es auch, obwohl er privat lieber Borges liest und sicher nicht SPD wählt. Früher, da hätte er Willy gewählt, doch der ist tot, und also drum. Tyll (gemeint: Eulenspiegel) ist also quasi ein Sachbuch und wird deshalb in den USA „gefeiert“ („SZ“), ob man das nun deprimierend findet oder nicht.

Kehlmann lebt in New York und hat, wie er im großen Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ mitteilte, Angst, dass Corona die Grundrechte beschädigt. Mit Blick auf Juli Zeh könnte man sagen, dass, je langweiliger sie schreiben, desto mehr Angst um die Grundrechte. Hat Frank Schulz Angst um die Grundrechte? Vielleicht ein bisschen, aber den fragt keiner. Ich glaube auch, dass Schulz eher Angst hat, sein nächstes Buch (sein nächster Satz) könnte nicht gut werden. Kehlmann hat diese Angst nicht, jedenfalls nicht lesbar, und warum auch.

„Ich sehe eine dystopische Welt“, sagt also Daniel Kehlmann, eine, die starken Männern folgt, Mundmasken trägt und kleine Buchhandlungen sterben lässt. Wenn die Welt Corona hinter sich habe, werde sie vermutlich schlechter sein, glaubt Kehlmann, und wenn’s auch stimmt, so war sie vorher schlecht genug. Die Welt, der hier die Sorge gilt, ist nämlich die von Leuten, die sich aus Welthauptstädten ins Haus am Meer verfügen, um von dort grundrechtsbesorgte Gespräche mit deutscher Qualitätspresse zu führen, die jene Angestellten versorgt, für die Kehlmann laut Peter Handke seine auf den Punkt lauwarmen Bücher schreibt. Falls Handke mit „Angestelltenliteratur“ nicht gemeint hat, Kehlmann sei selbst einer.

Und kein Betrieb halt ohne.

 

Stefan Gärtner