Im Likörcamp

Ist die Datingshow »Prince Charming« ein Beispiel für die homosexuelle Emanzipation? Von Martin Knepper

In der Datingshow »Prince Charming« – wie der »Bachelor«, nur mit schwulen Männern – sehen die Kandidaten fast alle gleich aus: aufgerüschte Haare, Bart und/oder »definierte« Körper. Wenn man in einer Vox-Show auftritt, hat man die Hoffnung auf die Karriere außerhalb des Selbstdarstellermediums vermutlich begraben. Ein Kollektiv rasierter Skrota, Batida de Coco schlürfend auf den Traumprinzen wartend, der nicht anders aussieht, den der Zufall nur auf die andere Seite der Schranke gespült hat.

Das Dilemma beginnt da, wo ich versuchen würde, meine Abneigung in angemessene Worte zu kleiden: Überreize ich es so, wie es diese cringy Veranstaltung verdient, so hagelt es gewiss Vorwürfe dahingehend, ich würde ein prima Beispiel für cis-normativen homosexuellen Selbsthass abgeben; würde ich mich aber bemühen, in »Homo sum, humani nihil a me alienum«-Manier auf irgendwelche lobenswerten Aspekte wie etwa das Angekommensein schwulen Lifestyles in der Öffentlichkeit hinzuweisen, käme ich mir so falsch vor wie diese epilierte Poolgesellschaft von Truschen.

Denn es ist nichts damit gewonnen, dass man Männer in ein Apartment sperrt und die Kameras darauf warten lässt, dass die Teilnehmer einander die Augen auskratzen oder das Sperma absaugen; an der Realität eines schwulen Jugendlichen in Marxloh oder dem Tschad ändert das alles nichts. Die Lehre, die der Vox-Zuschauer aus der Show zieht, wird die sein, dass man Schwule am besten in Likörcamps interniert, wo sie dann Wattebauschgladiatorenkämpfe um einen aus ihrer Klonarmee ausfechten. Nur dass es die Mediennorm nicht mehr wie vor 60 Jahren verlangt, dass ein Schwuler durch Mord oder Selbstmord zu enden hat, es geht heute darum, »rausgevotet« zu werden.

»Die einzige Chance des Homosexuellen ist seine Brillanz«, hat Hubert Fichte einmal geschrieben. Vielleicht ist deshalb der Anteil schwuler Männer in bestimmten Berufen, die ein Talent zur Selbstdarstellung erfordern, mindestens geringfügig erhöht. Dieses Streben nach Brillanz, lange Zeit das einzige Mittel, der gesellschaftlichen Ächtung oder der physischen Vernichtung zu entgehen, wird in einem Format wie »Prince Charming« missbraucht. Konkurrenz, Begierden, ein Verharren auf der Oberfläche, das nicht einmal mehr imstande ist, sich auch nur optische Individualität zu verleihen: Dies alles durch entsprechende Regie zusammenzuschneiden ist eine neue, pseudohumane Form der (Selbst-)Denunziation. Sie werden uns nicht mehr totschlagen. Aber sie werden uns für sich tanzen lassen.

Martin Knepper

»Prince Charming«, Staffel 2, auf Vox