In Utero

Klänge aus dem Mutterleib sollen für Entspannung sorgen. Von Jasper Nicolaisen

Demnächst wird das Debütalbum der Künstlerin Luca Yupanqui veröffentlicht. Die Stücke darauf bestehen aus Klängen, die Luca im Mutterleib hervorgebracht hat. Die Eltern, selbst Musiker/in, haben die Geräusche der noch ungeborenen Tochter im Verlauf einiger gemeinsamer Meditationssitzungen aufgezeichnet und geschnitten.

Was junge Eltern eben so machen, wenn der Tag lang ist, könnte man da sagen. Oder auch: Alte Avantgardehüte, Field Recordings, nichtintentionales Komponieren, Geräusche als (Anti-)Musik – es wird schon ein hübsch ödes Ambient-Geblubber entstehen beziehungsweise herbeikuratiert werden, wenn die kleine Luca sich in der Gebärmutter herumwälzt!

Leider bleibt es nicht bei einem süßen, leicht versponnenen Hipster-Eltern-Projekt und auch nicht beim x-ten Kiffersoundtrack. Der Plattenfirma zufolge handelt es sich nämlich um höhere Kunstwahrheiten von jenseits unserer verdorbenen Erwachsenenwelt, irgendwelche reinen Äußerungen gänzlicher unverbildeter Topseelen aus der dreifach levitierten linksdrehenden Ursuppe, in die die Menschheit besser heute als morgen zurückkehren sollte, so das unterschwellige Lamento. Das ist, in Zeiten, in denen in die Welt geborene Kids nicht nur in den USA Gefahr laufen, erschossen zu werden, wenn sie sich vor einem Cop zu laut räuspern oder raschelnd in ihre Jackentasche greifen – wo zumal schwarze Kinder in der rassistischen Logik einen Klick-Klick-Revolver haben –, ein ziemlich ekliger Schwurbel- oder Marketingblödsinn, mit dem das Pupsen und Blubbern einer vom Lockdown irregewordenen Familie veredelt werden soll.

Also: Viel Verständnis fürs Lockdown-Irresein, der Autor dieser Zeilen echauffiert sich schließlich auch gerade im Homeoffice über eigentlich doch recht harmlose Trottelkunst, die wahrscheinlich der zu entrichtende Preis für die Sprengung des Kunstbegriffs ist, die wiederum eine Folge jener Kunst ist, die uns Björk, die Goldenen Zitronen und zahllose Drumcomputer-plus-Echogesang-Bands geschenkt haben. Aber die haben wenigstens nicht gesagt: »Unser schmockiges Zeug beamen wir aus einer besseren Welt rüber«, sondern: »Guck, wie irre die Scheiße funkelt, wenn wir die Technik drüberkippen, die uns sonst immer nur krankmacht.«

Wahrscheinlich sollte ich das Trampeln und Kreischen meiner pandemiegeschädigten Blagen auch lieber versilbern, statt nur wütend auf die Tasten zu tappen. Ja, zugegeben: Reiner Neid speiste diesen Text. Ach, wie schön wäre jetzt so ein strudelnd-sprudelndes Gebärmutter-Office! Ich glaube, ich kaufe mir im April das Album.

Luca Yupanqui: »Sounds of the Unborn« (Sacred Bones)