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Phantastische Normalität

Ist die Luca-App ein probates Mittel zur Corona-Bekämpfung? Von Peter Kusenberg

Um zur ersehnten Normalität zurückzukehren, also zum Vielfliegen, maskenlosen Autofahren, Live-Fußballgucken und Klamottenkaufen am Samstagnachmittag, braucht es mehr als Spar-Impfung und zwei Meter Abstand in der Schlange vor dem Metzger. Doch wenn für Freizeitquatsch und Medienkonsum die Digitalmaschine taugt, warum nicht Corona-Vermeidungs-Management via I-Phone 2600 und Samsung Odyssey? Mit dieser Überlegung förderten ab Frühjahr 2020 das Robert-Koch-Institut, die Deutsche Telekom, SAP und die Bundesregierung die Verbreitung der Corona-Warn-App (CWA). Der Erfolg dieser Mobildigital-Strategie fiel bescheiden aus: Abgesehen von technischen und datenschutzrechtlichen Einwänden gegen ihren Einsatz, wirkt diese App nüchtern und fad. Wenn schon Bewegungs- und Kontaktkontrolle via App, dann doch mit einer, die Glamour verheißt, etwa mit Luca.

Im Herbst 2020 trat jenes Programm einer Software-Klitsche in der Reichshauptstadt ins Rampenlicht. Zusammen mit der HipHop-Combo Die Fantastischen Vier bewarben und bewerben die Verantwortlichen Luca als probates Mittel zur Corona-Bekämpfung. Anders als die unverbindliche und anonyme Nachbarschafts-Dokumentarin CWA ermittelt die Luca-App, welcher Nutzer wann welche Orte aufsucht und damit alle registrierten Besucherinnen eines potentiellen »Infektions-Clusters«. Die Daten gelangen zu den Gesundheitsämtern, die Kontakte nachverfolgen und Infektionsketten unterbrechen sollen.

Klingt super, doch die rein privatwirtschaftliche Berliner Firma tat alles, um als unseriöse und »intransparente« (Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar) Abgreifertruppe wahrgenommen zu werden, indem sie den Quellcode nur teilweise und mit gewaltiger Verzögerung veröffentlichte, keine »Datenschutzfolgenabschätzung« (Caspar) vornahm und Daten zentral speicherte. Nicht einmal die von den Entwicklern verheißene Standortbestimmung ist zuverlässig: Es genügt ein Standort-QR-Code vor der Kamera, und schon ist man angeblich im Osnabrücker Zoo. Mehrere Bundesländer überwiesen stattliche Summen an die Entwickler, während sich andere Firmen beschwerten, sie seien bei der Auftragsvergabe übergangen worden. Dabei gibt es längst die offene Schnittstelle Intrada, über die verschiedene Apps Daten an die Gesundheitsämter übermitteln können. Warum nicht Intrada-Apps mit Regenbogen-Design und Christiane Rösinger als Werbepatin?