VON konkret

Als Nachtrag zum Interview auf Seite 3: Kurz vor Redaktionsschluss hat der französische Senat noch etlichen Verschärfungen des Gesetzentwurfs »zur Stärkung republikanischer Prinzipien« zugestimmt. Er will verbieten, dass auf den Korridoren von Universitäten gebetet wird – eine Praxis, die der Konferenz der Hochschulpräsidenten weitgehend unbekannt ist –, dass bei Hochzeiten im Rathaus fremde Fahnen gezeigt werden oder dass in öffentlichen Schwimmbädern jemand einen Burkini trägt. Dabei handelt es sich vor allem um rassistische Stimmungsmache. Denn, wie Loïc Hervé von der Union des démocrates et indépendants prognostiziert: »Dieser Text ist ein wahres Gruselkabinett mit Freiheitsbeschränkungen, die fast sicher vom Verfassungsgericht gekippt werden.«

Am 6. April 1941 fiel die deutsche Wehrmacht in Griechenland ein. In der Folge begingen deutsche Truppen und SS zahlreiche Massaker, zerstörten Dörfer, beuteten das Land derart aus, dass in der Folge bis zu 450.000 Menschen an Hunger starben. Sie deportierten und ermordeten die griechischen Juden. Die griechische Zentralbank musste 1942 eine Zwangsanleihe in Höhe von 476 Millionen Reichsmark an das Dritte Reich ausgeben.

Seitdem hat Deutschland sich erfolgreich um die Zahlung von Reparationen für seine Verbrechen gedrückt. Als Griechenland seinen Schuldner 2015 wieder einmal an die noch ausstehenden Reparationszahlungen erinnerte, gab die Bundesregierung zurück, sie sehe für eine Zahlung keine Grundlage. Dabei sind, wie Rolf Surmann in konkret 4/15 erklärte, Griechenlands Reparationsforderungen »völkerrechtlich verbrieft«:

Als die Zeit der internationalen Stundung der deutschen Schulden nach 1989 vorbei war, hat sich Deutschland ohne Rücksprache mit den Gläubigerstaaten seiner Rückzahlungsverpflichtung entzogen. Zur Rechtfertigung führt es unterschiedliche Begründungen an, etwa die Behauptung, »die Zeit für Reparationszahlungen ist vorbei«, oder die Unterstellung, die übergangenen Gläubiger hätten nachträglich zugestimmt … Griechenland hat dagegen immer deutlich gemacht, dass es seinen Rechtsstandpunkt nicht aufgibt.

Eine andere Frage, so Surmann, sei, ob Griechenland sich mit seinen Forderungen durchsetzen könne: »Sollte Griechenland für seine Position keine weitergehende Unterstützung finden, dann wird es ihm wohl kaum gelingen, die Reparationsfrage erfolgreich wieder aufzuwerfen.«

Dabei wird es wohl bleiben: Als anlässlich des 80. Jahrestags des deutschen Einfalls in Griechenland dessen Außenministerium darauf hinwies, dass die Frage der Entschädigung weiterhin offen sei, wiederholte der Deutsche Bundestag, er halte diese Frage für erledigt, und lehnte am 25. März den Antrag der Linkspartei auf Anerkennung der Reparationsforderungen Griechenlands ab.

Selbst die Grünen stießen mit ihrer Forderung, »der griechischen Seite als Geste des guten Willens und als humanitäre Geste Vorschläge zu unterbreiten«, auf Ablehnung, weil sie immerhin die Möglichkeit von Zahlungen erwähnten. Ansonsten war man ihnen dankbar für die Formulierung, man müsse über das, was seit Jahrzehnten von Griechenland gefordert worden sei, »ganz egal, ob man das richtig findet oder nicht«, »auf Augenhöhe« sprechen. Gemeint war nicht etwa der Wunsch der Täter, die Opfer mögen ihnen das Gespräch nicht grundsätzlich verweigern, sondern das Zugeständnis der Täter, sich die Forderungen der Opfer anzuhören, wenn auch ganz sicher nicht, um ihnen dann nachzukommen.

Entsprechend schwärmte Markus Koob von der Union, die Grünen hätten mit dem Wunsch nach Augenhöhe das richtige Bild getroffen. Er bat als Bundestagsabgeordneter alle Opfer des NS-Regimes um »tiefempfundene Entschuldigung«. Es gebe aber gute Gründe für die Auffassung, dass – anders als die ewig währende Schuld der Kriegsverbrechen – die Reparationen abgegolten seien.

Gebenedeit sind die Deutschen, die das Eingeständnis historischer Schuld von Reparationszahlungen zu trennen und damit eine Erinnerungspolitik zu praktizieren verstehen, um die die Welt sie zu Recht beneidet.

Mit dieser Ausgabe beginnt unsere unregelmäßige Serie »Sternstunden deutscher Geschichtsschreibung« (Seite 44). Leser, die weitere Beispiele deutscher Gedenkkultur sichten, werden gebeten, sie zu fotografieren und zwecks Bebilderung der Rubrik Kunst & Gewerbe an die Redaktion zu schicken: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!