Abrissparty

Die Selbstdemontage der Linkspartei geht munter weiter. Von Svenna Triebler

Das Meer brennt, die Orbánisierung der größten Regierungspartei schreitet voran, der Kapitalismus macht angesichts einer weltweiten Seuche überdeutlich, dass er für sein Funktionieren auch auf diejenigen verzichten kann, die sich bisher auf der sicheren Seite wähnten. In einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, in der gefragt wurde, was sie aktuell für die größten Bedrohungen hielten, nannten 70,3 Prozent der Befragten den Rechtsextremismus, 68,6 Prozent den Klimawandel sowie 61,4 beziehungsweise 59 Prozent die Punkte »soziale Spaltung« und »Corona-Pandemie«. Es gäbe also durchaus Potential für eine Partei, die der neoliberalen Abrissparty etwas entgegensetzt, sei es mit einem dezidiert linken oder wenigstens mit einem sozialdemokratischen Programm, das diesen Namen verdient.

Von der Linkspartei erwartet nun auch niemand ein neues Kommunistisches Manifest, und tatsächlich bietet ihr Wahlprogramm ungefähr das, was sich enttäuschte SPD-Wähler von einer Partei erwarten würden: Mindestlohn von 13 Euro, »sozialökologischen Wandel« – kombiniert mit der Forderung, Braunkohlereviere in Hanfplantagen umzuwandeln – und einen Mietendeckel. Die Forderung nach einer Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen wäre selbstverständlich zu radikal gewesen.

Zu hören ist im Wahlkampf von diesen und all den anderen Punkten, die die Partei durchaus wählbar erscheinen lassen, allerdings wenig; dafür umso mehr von den Personen, die die Partei unwählbar machen. Vor allem von Querfront-Frontfrau Sahra Wagenknecht, die für ihr Buch Die Selbstgerechten, in dem sie gegen Antirassismus und gendergerechte Sprache zu Felde zieht, nicht nur ein (wenig aussichtsreiches) Parteiausschlussverfahren, sondern auch Applaus aus dem AfD-Spektrum erntete. Den bekam kürzlich auch Oskar Lafontaine, der sich auf Facebook den Corona-Leugnern empfahl, indem er Karl Lauterbach (SPD) als »Covid-Heulboje« beschimpfte und mit Tiraden über die »Pharmalobby und ihre Handlanger« gegen Impfungen stänkerte.

Wie sehr der reaktionäre Flügel, zusammen mit einem gesellschaftlichen Klima, in dem das Label »links« geradezu als anrüchig gilt, jede vernünftige Arbeit in der Partei lähmt, zeigte sich anlässlich der Wahl in Sachsen-Anhalt: Dort setzte man nicht auf progressive, antifaschistische oder sonstwie linke Inhalte, sondern auf die Parole »Nehmt den Wessis das Kommando« – und verlor fünf Prozentpunkte. Aber immerhin waren von Sahra Wagenknecht keine Einwände gegen diese Form von Identitätspolitik zu hören.