Meldung machen

Marco Tschirpke über die DPA, das Fließband der deutschen Nachrichtenproduktion

Welche Produkte die zeitgenössische Wirtschaft auch immer herstellt, seien es Autos, Filme, Hedgefonds oder Nachrichten – es wird generell mehr zusammengelötet, als konsumiert werden kann. Überproduktion gehört zur Marktwirtschaft wie der Schwanz zur Ratte.

Das Fließband, an dem geschätzte 90 Prozent der Nachrichten für die deutschen Medien generiert werden, heißt DPA. Die Deutsche Presseagentur beschäftigt nach eigenen Angaben weltweit knapp 700 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von 92,9 Millionen Euro. Sämtliche Tageszeitungen und Rundfunkanstalten sowie Onlinemagazine haben die DPA im Abo. Für einen monatlichen Pauschalbetrag suppt Meldung für Meldung in die Redaktionen. Selbst wenn einmal gar nichts geschähe in der Welt, würde die Nachrichtenproduktion nicht gestoppt werden. Musste Hegel in seinem leidigen Jahr als Chefredakteur der »Bamberger Zeitung« den Nachrichten noch hinterherrennen und etliche Briefkorrespondenzen führen, um das Blatt zu füllen, sortiert der Zeitungsmensch von heute den anfallenden Meldungsmüll schlichtweg nach politischer Fasson.

Etwa 1.000 Beiträge werden allein für die Bundesrepublik täglich hergestellt und verkauft. Im Falle der DPA wird der Nimbus der neutralen, unabhängigen Berichterstattung mitverkauft. Gratis geliefert wird dabei der Interpretationsrahmen. Der Umstand, dass kein einziger Satz einer DPA-Mitteilung der westlichen Sicht auf die Welt widerspricht, erlaubt die wortgetreue Übernahme jeder Meldung in jedes Blatt. Dass ihr nahezu monopolistischer Einfluss Wasser auf die Mühlen andersmeinender Käseblätter bedeutet (man denke an Elsässers »Compact-Magazin«), scheint den klassischen Printmedien nicht ins Bewusstsein zu tropfen. Russlands nicht minder fragwürdiger Auslandsfernsehsender RT Deutsch und die Funke-Mediengruppe als Nachrichtenschleuder der deutschen Provinz beherrschen und nutzen dabei dieselbe Technik des Framings: Was aus dem Rahmen fällt, kommt nicht vor.

Zugegeben, keine Nachrichtenagentur der Welt interessiert sich für das Ganze als das Wahre. Im Besteckkasten der politischen Instrumente hat jede ihren Platz und sonst nirgends. Der Journalist sollte sich nichts vormachen: Er ist nicht in der Lage, für Meinungsvielfalt zu sorgen. Geschweige denn, die Welt verstehbarer zu machen. Er ist Sprachrohr eines Zeitgeistes, den er nicht formt. Und damit zum Wetterbericht.