Stets zu Diensten

Die Bundesregierung plant, private Haushaltshilfen mit Milliardensubventionen zu fördern. Von Stefan Dietl

Etwa 3,6 Millionen Haushaltshilfen arbeiten derzeit in deutschen Privathaushalten. Vermittelt werden sie immer häufiger durch Agenturen, die ihre Dienste online anbieten. Geht es nach dem sozialdemokratischen Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, sollen diese professionellen Dienstleistungsvermittler nun in den Genuss einer besonderen Form der Wirtschaftsförderung kommen. SPD, Grüne und FDP wollen, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart, in diesem Jahr ein Gutscheinsystem für Hausangestellte einführen. 40 Prozent der Kosten für die Unterstützung im Haushalt würden so künftig vom Staat getragen. Gedeckelt ist der Zuschuss auf 2.000 Euro jährlich. Die Abrechnung erfolgt mittels einer speziellen App, über die die Firmen ihre Dienste anbieten. Dort bucht man eine Leistung, beispielsweise die wöchentliche Reinigung der Wohnung oder die ambulante Pflege eines Angehörigen an bestimmten Wochentagen, und gibt anschließend den behördlichen Gutscheincode ein. Automatisch müssen dann nur noch 60 Prozent des ursprünglichen Preises bezahlt werden.

Die Regierungsparteien verkaufen diese enorme staatliche Subvention – die Kosten belaufen sich auf rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr – als familienpolitische Maßnahme. Denn im ersten Schritt sollen ausschließlich Familien mit Kindern, Alleinerziehende und Menschen, die Angehörige pflegen, von der Maßnahme profitieren. Die Regierung spricht deshalb von einem »Fortschritt in der Familienpolitik«. Gerade Eltern von kleinen Kindern oder pflegende Angehörige bräuchten beim Putzen der Wohnung, bei der Kinderbetreuung oder der Pflege Unterstützung, heißt es aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales. »Wir führen für Familien ein System der Alltagshelfer ein«, erklärt Heil und betont, dass sich so auch »Normalverdiener« endlich Hilfe im Haushalt leisten könnten. Der öffentliche Zuspruch war Heil mit dieser Argumentation sicher. Sowohl in den Medien als auch von Familienverbänden und Gewerkschaften wurden die Pläne gelobt. Kaum Erwähnung in der öffentlichen Debatte fand der Umstand, dass der staatliche Zuschuss ab 2023 auf alle Haushalte – unabhängig von Bedarf und Vermögenslage – ausgeweitet werden soll.

Tatsächlich dürften die von Heil genannten »Normalverdiener« kaum in den Genuss der versprochenen staatlichen Unterstützung kommen. Der Großteil der Kosten für die »Alltagshelfer« muss schließlich weiterhin selbst getragen werden. Profitieren kann also, neben den Vermittlungsfirmen, nur, wer sich überhaupt eine Haushaltshilfe leisten kann. Gerade diejenigen, die den höchsten Bedarf an Unterstützung haben, werden also einmal mehr leer ausgehen. Weder die prekär beschäftigte, alleinerziehende Verkäuferin wird die großzügige Unterstützung in Anspruch nehmen noch der Geringverdiener, der neben seinem Job seine pflegebedürftige Mutter versorgt. Sie werden sich die Zuzahlung schlicht nicht leisten können.

Letztlich erweist sich die Maßnahme als ein Dienstbotenprivileg für Besserverdienende, deren Haushaltshilfen nun vom Staat subventioniert werden. Vor allem mit der geplanten Ausweitung des staatlichen Zuschusses auf alle Haushalte ab 2023 wird deutlich, dass es hier mitnichten um eine familienpolitische Maßnahme geht. Vielmehr wollen die Koalitionäre den unüberschaubaren Markt der Arbeit in Privathaushalten stärker staatlich regulieren und insbesondere die in diesem Sektor weitverbreitete sogenannte Schwarzarbeit zurückdrängen. Wer sich eine Haushaltshilfe leisten kann, soll diese künftig auch anmelden.

Derzeit sind Schätzungen zufolge etwa 80 Prozent der Angestellten in Privathaushalten illegal beschäftigt. Die oft migrantischen Arbeiter/innen aus Süd- und Osteuropa sind mit extrem ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert, die von Lohnraub, Arbeitszeitbetrug und häufig auch sexualisierter Gewalt geprägt sind. Soziale Isolation, ein unsicherer rechtlicher Status, mangelhafte Deutschkenntnisse und unzureichende Kenntnisse über die Spezifika des deutschen Arbeitsrechts erleichtern ihre Ausbeutung. Hinzu kommt ein System, das gerade im Bereich der häuslichen Pflege auf Einschüchterungen und Drohungen basiert.

Die neue Bundesregierung möchte nun zwar die illegale Beschäftigung durch finanzielle Anreize unattraktiv machen, an den katastrophalen Bedingungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind, dürfte dies jedoch wenig ändern. Denn auch die legale Beschäftigung in Privathaushalten ist von prekären Arbeitsbedingungen geprägt. So sind die meisten Angestellten in diesem Sektor geringfügig beschäftigt. Etwas mehr als 300.000 Haushaltshilfen waren zuletzt bei der sogenannten Minijobzentrale gemeldet, der Einzugs- und Meldestelle für geringfügige Beschäftigung. 20.000 gingen ihrer Arbeit offiziell als Selbständige nach. Dem stehen lediglich 43.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in deutschen Privathaushalten gegenüber.

Auch den geringfügig beschäftigten Haushaltshilfen werden grundlegende Arbeitnehmerrechte häufig vorenthalten. Urlaub oder Krankheitstage werden vom Lohn abgezogen, Arbeitszeiten nicht erfasst, Überstunden nicht bezahlt, Arbeitsschutzbestimmungen umgangen. Eine Einzahlung in die Sozialkassen findet nicht statt. Wie ihren illegal arbeitenden Kolleginnen und Kollegen droht den Minijobbern damit die Altersarmut, zumal sie auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können – laut Angaben der Minijobzentrale trifft das auf 86 Prozent der Beschäftigten in Privathaushalten zu. Doch selbst die erworbenen Ansprüche der wenigen Minijobber, die in die Rentenkasse einzahlen, sind gering. Ein Jahr Minijob bei einem monatlichen Verdienst in Höhe der derzeitigen Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro bedeutet für Beschäftigte in Privathaushalten gerade einmal einen Rentenzuwachs von 1,21 Euro.

Die Pläne der neuen Bundesregierung erweisen sich als Wirtschaftsförderung für eine Branche, deren Geschäftsmodell auf prekärer Arbeit und niedrigen Löhnen basiert – und als Geschenk an die eigene gutbürgerliche Wählerklientel. Die gestresste Mittelschicht kann künftig ohne schlechtes Gewissen – denn man handelt schließlich gesetzestreu und sogar staatlich gefördert – auf ihre als »Alltagshelfer« verbrämte Dienerschaft zurückgreifen, um ihre Kinder zu erziehen, ihre Wohnung sauberzuhalten und ihre künftigen Erblasser zu pflegen.

Stefan Dietl schrieb in konkret 12/21 über die geplante Ausweitung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse