Straub nach McCarthy

Über den Filmemacher Jean-Marie Straub, von dem wir einst dachten, es könne ernsthaft nicht über ihn gesprochen werden, ohne auch über den Kommunismus zu sprechen, war nach seinem Tod im November allerhand Nettes zu hören. Nur über seinen Kommunismus hörte man nicht viel.
Straub sei ein »unvergleichlicher Filmstilist« gewesen, rühmte die »Neue Zürcher«, um mit Blick auf die gemeinsam mit Danièle Huillet geschaffenen Werke zu tadeln, dass ihre »politische Haltung« bisweilen »ins Dogmatische abgleitete«, eine Feststellung, die allein dank ihres helvetischen Präteritums originell war. Denn so sahen das die andern auch.
In einer weit verbreiteten Meldung der Deutschen Presse-Agentur wurde »Kommunismus« mit »linkskritisch-politisch« übersetzt, um Les Straubs von rechtskritisch-politischen, linkskritisch unpolitischen und rechtsunkritisch-unpolitischen Vorhaben streng abzugrenzen. Bei allen künstlerischen Verdiensten sei diese linkskritische Marotte mit so manchem »Eklat« erkauft gewesen. So hätten sie in Venedig 2006 eine Botschaft verlesen lassen, »die schockierte. Solange es den amerikanischen, imperialistischen Kapitalismus gebe, könne es nie genug Terroristen in der Welt geben, hieß es darin.« (Dass diesem Satz, der übrigens von Franco Fortini stammmt, das Straubsche »Der Terrorist bin ich« vorausging, unterschlug die Presse-Agentur geflissentlich.)
Begütigend wandte die »Frankfurter Rundschau« ein, »Rebellen« seien Huillet und Straub doch »allein mit den Mitteln einer radikalen Bild- und Tonästhetik« gewesen. Willst du radikal sein, gehe in den Schneideraum, begib dich direkt dorthin, gehe nicht über Los und mach auch nichts los. »Von Pavese und Hölderlin her hat Straub auch seine kommunistische Utopie entwickelt«, schrieb überraschenderweise die »Süddeutsche«, um im selben Atemzug hinzuzufügen, in jener sei es gegen die »Zerstörung des Planeten«, also um Naturschutz gegangen. Da blieb der »FAZ« nichts als zu spotten, Straub sei »zur Zigarre und einem starken Getränk« als »Jean Gabin des linken Kinos« aufgetreten.
Wenn also Jean-Marie Straub Kommunist gewesen sei, dann höchstens, um bei Zigarre und starkem Getränk gelegentlich ins Dogmatische abzugleiten und für Eklats zu sorgen, gewöhnlich sei er aber ein ganz Lieber gewesen und habe die Natur retten wollen. Senator Joseph McCarthy hätte in Deutschland absolut nichts mehr zu besorgen.

Stefan Ripplinger