Desinformationsindustrie

Peter Kusenberg über die Manipulationsagentur »Team Jorge«

»Der Journalist, der vor Zeiten der unedle Bruder des Dichters genannt wurde, ist zum edlen des Gauners erhöht«, schrieb Ernst Bloch über die Nazi-Presse. Man muss kein Freund der allzu einverstandenen Liberalpresse der Gegenwart sein, um zu erkennen, dass zwischen »Süddeutscher Zeitung« (»So streiken Verdi und Fridays for Future die Verkehrswende kaputt«) und dem russischen Staatsfernsehen (»Der Atomkrieg ist das wahrscheinlichste Ergebnis des Ukraine-Konflikts«) ein beachtlicher Unterschied besteht. Insbesondere im staatsautoritären Kapitalismus greifen die Machthaber bei der Meinungsmache zu kriminellen Mitteln.

Wie das internationale Reportagenetzwerk Forbidden Stories – zu dem in Deutschland neben »Zeit« und »Spiegel« die »SZ« gehört – unlängst herausfand, manipulierte ein israelisches Unternehmen unter dem Tarnnamen »Team Jorge« politische Abstimmungen, vor allem in Trikont-Staaten wie Indonesien und Nigeria. Forbidden Stories wies in dem »Storykillers« genannten Bericht nach, wie Team Jorge in mehr als 30 Fällen Computernetzwerke der Opposition hackte, deren Kandidaten desavouierte und Troll-Armeen dazu anstiftete, die Zielpersonen in den Sozialen Medien zu diskreditieren und zu verhöhnen.

Unter Federführung der israelischen Tageszeitung »Haaretz« brachte Forbidden Stories einen leitenden Team-Jorge-Mitarbeiter dazu, das kriminelle Prozedere zu beschreiben. Die Manipulateure hackten sich ins E-Mail-Postfach eines führenden Politikers ein, so dass sie »dem Politiker Dateien unterjubeln können, die ihn in Bedrängnis bringen würden« (»Spiegel«).

Insbesondere der »Spiegel« stellt die Manipulationsmaschine als Waffe »autokratischer Staaten« dar, deren Agenten als »russische Trolle« und »chinesische Hacker« in Erscheinung treten. Dass vielleicht die anderen, die »Guten«, gleichfalls mitmischen im Kampf um die »Köpfe und Hohlköpfe« (J. Goebbels), klingt sachte bei den Kollegen der »Zeit« an, die ein »Netzwerk von Influencern in den USA« erwähnen. Immerhin griff bereits anno 2016 die Firma Cambridge Analytica dem Kandidaten Donald Trump beim Wahlsiegen unter die Arme, indem sie im digitalen Raum Sachverhalte zugunsten des Republikaners zurechtlog. Im Westen und Osten also nichts Neues, es wächst nur das Maß an »geschulter Gerissenheit« (Bloch).