Bewaffneter Frieden

Johannes Schillo über Freerk Huiskens Flugschrift Frieden. Eine Kritik

Dass hierzulande die Friedensmoral zu einer Kriegsmoral mutiert ist und dass sie sich – nach Ansage der »Zeitenwende« – nur noch als Befürwortung kriegerischen Beistands für die todesmutige Ukraine äußern darf, greift Freerk Huisken, wie andere Kriegsgegner auch, in seiner neuen Flugschrift Frieden an. Er leitet daraus aber nicht die Forderung nach einer Rückkehr zum alten BRD-Friedensidealismus oder nach einem Aufbruch zur endlich völkerrechtlich wirksamen Befriedung des Staatenverkehrs ab. Solche Vorschläge liegen ja in Deutschland – gerne mit der Vorstellung von der eigenen Rolle als »ehrlicher Makler« (Bismarck) versehen – von links, von rechts und aus der Mitte vor und werden von Huisken einer gnadenlosen Kritik unterzogen.

Nachdem er die Leistungen der von oben massiv befehdeten Friedensbewegung und ihrer Appelle bilanziert hat, setzt Huisken sich ausführlich mit »unserer« Friedensordnung auseinander, die durch Putins Bösartigkeit – unprovoziert und völlig überraschend – zerstört worden und die daher mit allen Mitteln zu verteidigen sei. In der Tat, so der Autor, werden hier westliche Interessen, alias »Werte«, angegriffen, weshalb sich das eigenartige Subjekt »Westen« zur Verteidigung genötigt sieht. Was hier geschützt wird, ist allerdings ein Weltzustand, der es in sich hat: In ihm soll allein der freie Kapital- und Warenverkehr konkurrierender Souveräne zählen, wobei »diese Friedensordnung, also die Konkurrenz auf dem Weltmarkt mit ihrem unter US-Aufsicht etablierten Ordnungssystem, ganz prinzipiell Gewalt als integralen Bestandteil hat«.

Als Frieden gilt unter dieser Bedingung die Situation, in der die Konkurrenten ihre Gegensätze – noch – aushalten und nur kräftig aufrüsten: »Dieser Frieden ist kein Gegensatz zum Krieg, sondern ist der Krieg in seiner Möglichkeitsform.« Und für die Einhaltung des Gewaltverbots in der »regelbasierten Ordnung« sorgt mit ungehemmter Gewaltbereitschaft die westliche Führungsmacht: »Frieden herrscht, wenn nur einer sich zum Einsatz von Gewalt berechtigt sieht.«

»In Kriegen und Revolutionen« haben Flugschriften, die es seit dem 15. Jahrhundert gibt, »eine besondere Bedeutung«, weiß Wikipedia. Für die Aufklärung, die Huisken hier liefert, gilt das auf jeden Fall.

Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass. VSA, Hamburg 2023, 154 Seiten, 12 Euro