VON konkret

Seit dem 7. Oktober wissen auch die, die es bis dato nicht hatten wahrhaben wollen: Juden sind auf dieser Welt nicht sicher, nirgendwo. In Deutschland verzeichnete die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) vom 7. bis zum 15. Oktober 202 antisemitische Vorfälle, das entspricht einem Anstieg um mindestens 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz sagte dem »Spiegel«: Der Judenhass auf deutschen Straßen erinnere »an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte«. Ähnliches gilt für den Rest der Welt. Viele der Übergriffe richteten sich gegen jüdische Einrichtungen. Es gab aber auch Fälle körperlicher Attacken: ob in Detroit, in Kopenhagen oder in Lyon. In der russischen Hafenstadt Machatschkala/Dagestan stürmten Tausende von Einwohnern einen Flughafen, um Reisende anzugreifen, die mit einem »Red Wings«-Flug aus Tel Aviv eingetroffen waren. Nach Angaben des Außenministeriums gab es dabei etwa 20 Verletzte.

Der Judenhass, der sich wie auf Kommando weltweit entlud, hätte also auch denjenigen, für die Israel nur ein winziger Fleck irgendwo im Nahen Osten ist, klarmachen müssen, dass es diesen Fleck um jeden Preis zu erhalten gilt. Wie bedroht aber auch dieser letzte Zufluchtsort für Juden ist, zeig(t)en nicht nur die hasserfüllten Demonstrationen überall auf der Welt, sondern auch die Stellungnahmen, die die in Gaza operierenden und von der EU finanziell unterstützten NGOs in den Tagen nach den von der Hamas verübten Massakern abgaben. Die in Israel ansässige Organisation NGO Monitor, die die Arbeit der internationalen Nichtregierungsorganisationen in Israel und den palästinensischen Gebieten beobachtet, hat die Statements am 23. Oktober dokumentiert. Hier eine kleine Auswahl (nach dem Englischen der NGO-Monitor-Übertragung aus dem Arabischen).

Das Palestinian NGO’s Network (PNGO), das nach Angaben von NGO Monitor zwischen 2021 und 2024 einen EU-Zuschuss in Höhe von 1,25 Millionen Euro erhalten (haben) soll, veröffentlichte am 8. Oktober eine Erklärung, in der es heißt: »In den letzten zwei Tagen hat ein aggressiver Krieg stattgefunden, der Teil der Bemühungen des Besatzerstaates ist, Rache zu nehmen und den Kreis der Massaker gegen das palästinensische Volk, insbesondere im Gazastreifen, zu erweitern. Wir von der PNGO begrüßen dieses ehrenvolle Bild, das unser Volk abgibt.«

An die Union of Agricultural Work Committees (UAWC) sind seit 2014 EU-Gelder in Höhe von insgesamt 6,4 Millionen Euro geflossen (NGO Monitor). Am 7. Oktober postete UAWC-Projektkoordinator Houssam Abuabdou auf Facebook: »Der 7. Oktober hat die Kraft und den Willen eines großen Volkes gezeigt.«

Das Arab Center for Social Media Advancement, 7amleh, ist, so schreibt es auf seiner Website, »eine gemeinnützige Organisation, die es der palästinensischen und arabischen Zivilgesellschaft ermöglichen soll, die Instrumente der digitalen Interessenvertretung durch den Aufbau professioneller Kapazitäten, die Verteidigung digitaler Rechte und die Entwicklung einflussreicher digitaler Medienkampagnen wirksam zu nutzen«. Von der EU erhielt das Projekt 2022 330.000 Euro (NGO Monitor). Am 7. Oktober postete Vorstandsmitglied Neveen Abu Rahmoun auf Facebook: »Der palästinensische Widerstand hat seit dem Beginn der Al-Aqsa-Flutung eine neue Etappe erreicht, indem Widerstandskämpfer in zahlreiche israelische Wohnviertel in den Siedlungen eindringen, Kontaktpunkte schaffen und Raketen des Widerstands abfeuern. Israel wiederum sieht sich dadurch in die Enge getrieben und hat eine hohe Mobilisierung für den Krieg angekündigt. Die Botschaft des Widerstands ist klar, er hat begonnen und er wird eskalieren und eine neue Realität erzwingen.«

Die EU unterstützt das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) 2023/24 mit 475.000 Euro (NGO Monitor). Am 7. Oktober postete die PCHR-Referentin für Fundraising und Programme, Feda’a Murjan, auf Facebook: »Wir werden unser Land wirklich betreten. Allah, du bist unser Beschützer und Unterstützer.«

Taghreed Jomaa, die Vorstandsvorsitzende der Association for Woman and Child Protection (AISHA), die von 2023 bis 2026 490.000 Euro von der EU erhalten soll (NGO Monitor), teilte am 16. Oktober einen Facebook-Post, der das Massaker der Hamas im Süden Israels und die Verbrennung der Leichen der Opfer leugnete: »Westliche Unterstützung für Israel wegen eines Hundes? Der amerikanische Journalist Jackson Hinkle enthüllte, dass das vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu veröffentlichte Foto des verkohlten Kindes eine Fälschung war. … Einem Bericht von Fatima Triki zufolge hat der amerikanische Journalist enthüllt, dass das Foto des angeblichen israelischen Kindes [in Wirklichkeit] das eines Hundes in einer Tierklinik ist, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz verzerrt wurde.«

Die Palestinian Medical Relief Society (PMRS) erhielt von 2014 bis 2022 EU-finanzierte Zuschüsse in Höhe von insgesamt 5,5 Millionen Euro (NGO Monitor). Der Präsident der PMRS, Mustafa Barghouti, erklärte am 7. Oktober in einem Interview mit Al Jazeera: »Diese Initiative des Widerstands, die wir gesehen haben, ist eine Antwort auf den Terror der israelischen Siedler, der überall im Westjordanland unter dem Schutz der israelischen Armee stattfindet. … Sie zeigt, dass Israel nicht allmächtig ist, und sie zeigt auch, was Palästinenser tun können, wenn sie entschlossen sind, für ihre Freiheit Widerstand zu leisten.«

Al-Haq beschreibt sich als »unabhängige palästinensische Menschenrechtsorganisation« (Al-Haq-Website) und war zwischen 2018 und 2021 Empfänger von 296.600 Euro EU-Geldern (NGO Monitor). Am 10. Oktober schrieb Ziad Hmaidan, Leiter der Abteilung für Ausbildung und Kapazitätsaufbau bei Al-Haq, auf Facebook: »Es steht im Hadith geschrieben: ›Ihr müsst den Dschihad führen. Der beste Dschihad ist die Vorbereitung auf den Krieg, und es ist am besten, sich in Aschkelon auf den Krieg vorzubereiten.‹«

Das Bisan-Forschungs- und Entwicklungszentrum hat zwischen 2017 und 2019 einen EU-finanzierten Zuschuss in Höhe von 699.236 Euro erhalten (NGO Monitor). Am 10. Oktober veröffentlichte Bisan-Vorstandsmitglied Nadia Habash eine Erklärung des Berufsverbandskomplexes, in der es heißt: »Heute blicken wir mit Stolz auf unseren mutigen Widerstand, der die schrecklichsten Bilder von Stärke und Ruhm schafft und die Feinde unserer Nation zertritt und die gestohlenen Rechte zurückgibt. … Wir feiern diesen Sieg und bezeugen vor Allah, dass wir alle Soldaten unter dem Kommando des palästinensischen Widerstands sind. … Möge unser geliebter Widerstand weitergehen und unzerbrechlich sein.«

Die Tatsache, dass all diese Organisationen den Terror der Hamas ganz unverhohlen unterstützen, spricht dafür, dass sie nicht befürchten, die EU werde deshalb ihre Zahlungen begrenzen, gar einstellen. Solange man aber in Gaza und der Westbank davon ausgehen kann, dass Europa dem Projekt »From the river to the sea« nicht im Wege steht, wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben können.

Israel ist allein unter Feinden. In der aktuellen Ausgabe widmen sich Richard Schuberth (Seite 12), Jens Hoffmann (Seite 16), Stefan Gärtner (Seite 20), Jörg Kronauer (Seite 22), Markus Ströhlein (Seite 43), Peter Kusenberg (Seite 50) und Florian Sendtner (Seite 61) der Frage, wie die aktuellen Ausbrüche des Judenhasses sich erklären lassen und ob Israel noch eine Chance hat. Auf Seite 18 dokumentiert konkret zudem den Antisemitismus der Gründungsdokumente von Hamas und Co.