Gärtner zu Gast beim Bock
In Moskau tagte das Internationale Antifaschistische Forum. Wie ernst meinen es die Pro-Putin-Kommunisten mit ihrer Vernetzung? Von Ewgeniy Kasakow
Vom 22. bis 24. April tagte in Moskau das II. Internationale Antifaschistische Forum (IAF). 450 Delegierte und 164 Organisationen aus 91 Ländern kamen auf die Einladung der Kommunistischen Partei der Russländischen Föderation (KPRF) zusammen, um, so das Motto, die „Konsolidierung der linken Kräfte im Kampf gegen Neofaschismus und Kriegsbedrohung“ zu diskutieren. Das Event fand in allen Staatsmedien positive Erwähnung - vermutlich auch, weil dort neben einem Konzert des weltberühmten Alexandrow-Ensembles Grußworte von Wladimir Putin und etlichen weiteren Spitzenpolitikern zu hören waren. Feierlich wurde ein Schreiben Putins vorgelesen, in dem er lobend hervorhob, dass in Russland „alle parlamentarischen Parteien“, darunter die gastgebende, die ja immerhin die größte oppositionelle Fraktion stellt, „eine konsolidierte patriotische Position“ einnähmen. Gennadi Sjuganow, seit 1993 Anführer der KPRF, lässt an den Worten des Präsidenten keinen Zweifel aufkommen. In seiner Eröffnungsrede wettert er gegen die „dunklen Mächte der Globalisten“, die die Völker und ihre Staaten unterjochten. Ihm folgen weitere Ehrengäste: ein Vertreter der Kommunistischen Partei von Belarus, der Grüße vom dortigen Präsidenten Alexander Lukaschenko überbringt, der Leiter der Internationalen Abteilung der KP Kubas, Emilio Lozada García, und der chinesische Botschafter in Moskau Zhang Hanhui. Danach wird darum gebeten, das Filmen der Veranstaltung zu unterbrechen, weil der Vorsitzender der verbotenen Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU), Pjotr Symonenko, das Wort hat.
Formiert sich hier gerade ein neuer internationaler Dachverband von Pro-Putin-Linken, gibt es einen realen „Linksrück“ im Kreml oder handelt es sich nur um eine rituelle Jubiläumsveranstaltung? Die Namen der Teilnehmer, die publik wurden, vermitteln einen Eindruck davon, wer die „kommunistischen Arbeiter- und Volksparteien“, so die offizielle Formulierung, waren, die der Einladung folgten. Einen Beitrag dazu hat Kommunistische Partei Griechenlands geleistet, die seit 2022 die russischen „Z-Kommunisten“ offen kritisiert. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Aus einer vorläufigen Liste, die uns zugänglich gemacht worden ist, ging hervor, dass Griechenland (auf der IAF) durch eine Delegation der griechischen Sektion der so genannten World Anti-Imperialist Platform (WAP) vertreten wurde, die aus zwei Südkoreanern und einer Griechin bestand, die für den griechischen Zweig der … antiimperialistischen Front steht … Es stellt sich heraus, dass die Skurrilitäten damit … nicht enden ... die Türkei wurde unter anderem durch die nationalistische Partei Vatan Partısı (Patriotische Partei) vertreten, … die den derzeitigen Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, aus … ,antiimperialistischen’ Gründen unterstützt, wobei ,böse Zungen’ sie direkt mit dem Generalstab der türkischen Streitkräfte in Verbindung bringen.“
Über andere Kanäle war zu erfahren, dass aus der Türkei die dort verbotene Kommunistisch-Leninistische Arbeiterpartei anwesend war, außerdem die in Brasilien regierende Partido dos Trabalhadores, die mexikanische Partido del Trabajo, die mitregiert, Maduros PSUV aus Venezuela, die die dortige KP gekapert hat, daneben die südafrikanische KP, die Partito dei CARC aus Italien, die zeitweilig zur Wahl des Movimento 5 Stelle aufrief. Die Tudeh-Partei aus dem Iran war ebenso anwesend, wie etliche KPs aus postsowjetischen Ländern, die seit Komintern-Zeiten bestehenden Kommunistischen Parteien aus den USA, Argentinien, Sri Lanka und „antirevisionistische“ Neugründungen wie Parti Communiste de Belgique und New Communist Party of Britain.
Es kann keine Rede davon sein, dass auf dem IAF eine neue internationale kommunistische Vereinigung wie die von 2013 bis 2023 existierende Europäische Kommunistische Initiative (EKE) oder die Europäische Kommunistische Aktion (EKA) entstanden wäre. Dafür sind die teilnehmenden Kräfte ideologisch zu heterogen. Zwar scheint man sich einig zu sein, dass Russland und China als Gegengewicht zum Westen willkommen sind, aber eine aktive Unterstützung der „Spezialoperation“ ist anders als bei der World Anti-imperialist Platform (WAP) nicht von allen teilnehmenden Organisationen zu erwarten. Die Abschlusserklärung entsprach dennoch durchaus dem Anliegen der KPRF: „Die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Ressourcen des Weltkapitals, einschließlich Söldnertruppen, wurden im Angriff gegen Russland eingesetzt“, heißt es dort. Russisches Kapital zählt demnach nicht zum Weltkapital.
Niemand auf dem IAF scheint sich zu erinnern, dass vor exakt zehn Jahren in Sankt Petersburg beim Konservativen Forum eben die europäischen Kräfte tagten, vor deren Machtzuwachs die Teilnehmer der diesjährigen Veranstaltung warnten. Auf die Frage der „Jungen Welt“: „Inwiefern können Faschisten in Russland offen auftreten?“ antwortete IAF-Teilnehmer und Mitglied des DKP-Vorstands Stefan Natke: „Größere Aufmärsche wie in Budapest zum Beispiel gibt es nicht. Zumal sich die militanten Faschisten in der Ukraine befinden und dort auf der Seite der ukrainischen Nationalisten kämpfen.“ Dabei vergaß er zu erwähnen, dass in Russland Demonstrationen aller politischen Kräfte massiv eingeschränkt sind und dass faschistische Organisationen wie die Russische Gemeinschaft [in Tradition der „Schwarzen Hundertschaften“ der Zarenzeit] oder die Union des Russischen Volkes aktiv mit den staatlichen Sicherheitskräften zusammenarbeiten. Für Natke scheint Faschismus ein Begriff zu sein, der nur Nationalsozialisten und deren Nostalgiker meinen kann, nicht aber Leute, die mit Gewalt gegen Migranten und Minderheiten vorgehen. Das sahen allerdings nicht alle so: Salah Adli, Generalsekretär der ägyptischen KP, zog Parallelen zwischen dem historischen Faschismus und radikalem Islamismus und erhielt dafür Zustimmung von anderen Parteien aus der Region. Auch die Anwendung von Dimitrows Faschismusdefinition bereitet den ML-Parteien zunehmend Kopfzerbrechen. Die KKE kritisiert diese inzwischen offen.
Ewgeniy Kasakow schrieb in konkret 1/25 über die Wiedergründung der Union des Russischen Volkes
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