DER LETZTE DRECK (45)

… steht in den Buchbestsellerlisten, in den Musik- und Kinocharts. konkret kümmert sich um die Entsorgung.

 

Dreck-Magazin

Fiktiver Journalismus – weltweit im Dienst der Leser

Die Rückkehr der Super-Redakteure; Nr. 16; 9 Euro; zu beziehen über den »Titanic«-Shop oder bobwebshop.de

Ist diese Seite in diesem Moment hilfreich für Sie?« Diese Frage füllt nebst Ankreuzmöglichkeit (ja/nein) ein ganzes Blatt aus. Antwort: Natürlich nicht. Dieses Heft ist eine einzige Zumutung.

In ihrer unermesslichen Geltungssucht haben vier alte weiße Männer nach 32 Jahren Schonzeit eine neue Ausgabe des Bielefelder DIY-Quatschblatts »Dreck« herausgebracht. Das Ergebnis zeugt vom Niedergang der Karriere der »Super-Redakteure« von hoffnungsvollen Jungsatirikern zum Springer-Zapper (Hans Zippert), Deutschlandfunk-Tonlieferando (Fritz Tietz), Kunsthochschulbeauftragten (Rüdiger Stanko) und Mao-Double (Christian Y. Schmidt).

Wo ist sie hin, »die Bielefelder Schule des Bewusstseins«, an die sich Zippert wie folgt erinnert? »Die ostwestfälische Metropole war in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Hochburg der Bohème, die Straßen voller Künstler und Intellektueller und Autoren. Hannah Arendt lud in der Prießallee auf ihre legendären Silvesterfeste ein, Norman Mailer lebte kurzzeitig in der Oelmühlenstraße, bevor er in die Dornberger umzog, wo er das umstrittene Interview mit Karlheinz Stockhausen führte. In der Gaststätte Bewekenhorn trafen sich Samstagnachmittag Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, um den Wirt zu foppen und die Bundesligakonferenz auf dem gaststätteneigenen Nordmende-Empfänger zu hören.« Statt ausschließlich auf die Überreste ihres anarchischen Pennälerwitzes und ihres Rabaukenlayouts zu vertrauen, haben die »Erfinder der Lügenpresse« (dreiste Lüge) öde Onkels wie Max Goldt und den irrlichternden Eckhard Henscheid dazugeladen und einem Stadtführer, der von seinem Glück vermutlich gar nichts weiß, die Worte vom Munde abgetrotzt (»Man tut in Bielefeld alles, um irgendwelche attraktiven Dinge zu bieten«). Wen die Selbstbespiegelungsbusinessmen dazu am liebsten in jugendlicher Schönheit abbilden? Keinmal dürfen Sie raten. Da verliert man sich doch lieber in Renate von Löwis of Menars handgewebtem Bauhaus-Labyrinth und kommt nie wieder raus.

Spätestens bei der gekritzelten Liste mit Anschriften und Telefonnummern sämtlicher Bielefelder Imbissbuden anno 1986 fragt man sich: Was soll das? Die grenzsenile Idee, dem Heft als Gimmick eine 3D-Brille beizulegen, rundet den Dreck ab.

Warum es dieses Druckerzeugnis irgendwie sogar in das Literaturarchiv Marbach und »den schwarzhumorigen Kanal« Jan Fleischhauers geschafft hat und sich dumm wie Brot verkauft, ist mir ein Rätsel. Da warte ich lieber auf die Neuausgabe des Konkurrenzblatts »Reynemach« aus Bielefelder Frauenhand.

Marit Hofmann