Der Strohmann

Florian Sendtner über die ungebrochene Nähe der Thüringer FDP zur AfD

Man kann davon ausgehen, dass Björn Höcke den Auftritt vor dem Spiegel geübt hatte, damit alles saß beim Handschlag mit dem frisch von seinen Gnaden ins Amt gehievten Minister-präsidenten Thomas Kemmerich. Die Szene war dann auch tadellos. Nachdem der FDP-Kandidat Kemmerich am 5. Februar 2020 im Thüringer Landtag mithilfe von CDU und AfD im dritten Wahlgang die erforderliche eine Stimme mehr bekommen hatte als Bodo Ramelow von der Linken, gratulierte Alternativ-Nazi Höcke dem Sieger mit gesenktem Blick – und hatte den Führer-Ähnlichkeitswettbewerb für sich entschieden.

Von Trump lernen heißt siegen lernen, beziehungsweise: Man sollte sich den schlimmsten Vorwurf, der einem gemacht wird, umgehend zu eigen machen. Höcke ist ein Nazi? Nicht irgendeiner! Wenn hier schon Parallelen gezogen werden, dann bitte richtig: Hitlers Verneigung vor Hindenburg am »Tag von Potsdam« 1933 drängt sich auf! Ramelow ging Höcke prompt auf den Leim, verwies per Twitter auf die Ähnlichkeit der Bilder – und löschte den Tweet bald darauf wieder. Vermutlich weil ihm dämmerte, dass er damit nur Höckes Drehbuch folgte.

Dieses Drehbuch durchkreuzte damals allein Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie sprach von einem »unverzeihlichen Vorgang« und brachte damit ihre Partei, deren Vorsitzende Kramp-Karrenbauer sowie die FDP zur Räson. Die Freidemokraten, deren damalige wie heutige Granden (Lindner, Wissing, Kubicki) den Vorgang zunächst ganz prima gefunden hatten, ruderten offiziell zurück.

Kemmerich ist trotzdem nach wie vor Thüringer FDP-Chef. Und er will es durchaus noch einmal wissen, wie er jetzt in einer Talkshow im Hinblick auf die Landtagswahl 2024 bekannte: »Beim nächsten Mal wären wir besser vorbereitet und hätten mehr Pfeile im Köcher.« Umfragen zufolge ist die AfD seit Monaten in Thüringen stärkste Partei. Eine Autoritätsperson im konservativ-liberalen Lager, die wie Merkel jede Zusammenarbeit mit der extremen Rechten kurz und bündig ablehnt, gibt es nicht mehr. Kemmerich steht bereit: »Wir brauchen politisch gute Ideen aus der Mitte. Und wenn die dann eine Mehrheit finden trotz oder mit der AfD, dann ist die Mehrheit halt da.«