Füxe

TV-Serie in vier Teilen. Deutschland 2023. Regie: David Clay Diaz, Susan Gordanshekan; mit Valon Krasniqi, Roxana Samadi. Bis Oktober 2024 in der ZDF-Mediathek 

Studentenverbindungen sind in fiktionalen Fernsehfilmen ein beliebtes Motiv, und meist kommen sie dabei nicht gut weg. Das ist in der ZDF-Miniserie »Füxe« nicht anders. Der Protagonist, ein Student mit kosovo-albanischer Herkunftsfamilie, gerät auf der Suche nach einer bezahlbaren Bleibe und nach einem Ausweg aus seinem bescheidenen Milieu an eine pflichtschlagende Studentenverbindung – genauer gesagt, an ein Corps. Um aufgenommen zu werden, ändert er zwei Buchstaben seines Namens, und aus dem migrantischen Adem Kameri wird der urdeutsche Adam Kamer. So beginnt er ein Doppelleben – einerseits der weltoffene Student, dessen Freundin in einer linksalternativen WG lebt und in der Wohnungshilfe für migrantische Familien arbeitet, andererseits der aufstiegs- und leistungswillige Corpsbruder, der sich dem strengen Reglement des reaktionären Männerbundes bereitwillig unterwirft. Die Schilderung beider Milieus kommt natürlich nicht ohne die genreüblichen Klischees aus. Dennoch erliegt die Serie nicht der Versuchung, die Verbindung als finsteren Geheimbund zu inszenieren, auch wenn das Korporationsleben in all seinen abstoßenden Aspekten ausführlich geschildert wird: Strenge Unterordnung noch unter die kleinlichsten Regeln, demütigende Saufrituale, skrupelloses Karrieredenken und völkischer Nationalismus werden so drastisch geschildert, dass die Corpsbrüder teilweise arg holzschnittartig wirken.

Seit der Erstausstrahlung im Oktober tauschen die Korporierten sich in den einschlägigen Foren der verbindungsstudentischen Szene erwartungsgemäß lediglich über Ungenauigkeiten und Verallgemeinerungen in der Schilderung des Corpslebens aus. Dass sie die in der Serie finden können, ist kaum verwunderlich. Von einer öffentlich-rechtlichen Soap-Opera in vier Episoden ist weder eine allzu differenzierte Aufklärung noch eine allzu ausgefeilte Dramaturgie zu erwarten. Dennoch sind rechte Zeitungen, die dem korporierten Milieu nahestehen, etwa die »Junge Freiheit« oder die »Neue Zürcher Zeitung«, erstaunlicherweise angetan. Die »JF« gerät geradezu ins Schwärmen: »Die spannende Erzählung wird auch so manchen Altphilister mit einem Lächeln in seine eigene Fuxenzeit zurückversetzen. Sie zeigt Rituale und Bräuche, die wirken wie ausgedacht, aber doch die Realität auf Verbindungshäusern wiedergeben. Die hohen Erwartungen an die Spefüxe und willkürliche Schikanen sind ebenso lebensnah wie die Freundschaft und Solidarität, die sich zwischen den Bundesbrüdern entwickeln kann.« Und auch die »NZZ« schnuppert Stallgeruch: »Die Macher der Miniserie ›Füxe‹, das wird schnell deutlich, kennen die Welt, die sie schildern, von innen.« Beide Blätter wissen beispielsweise zu goutieren, dass der Vierteiler zwischen den eher plump nationalistischen Burschenschaften und den elitären Corps unterscheidet, und fühlen sich verstanden.

Es dürfte aber auch eine geschickte Wendung der Handlung in der letzten Folge sein, die das Wohlgefallen der Alten Herren erregt: Nachdem Adam Kamer seinen Betrug und seine Herkunft gegenüber den »Bundesbrüdern« offengelegt hat, soll er natürlich ausgeschlossen werden. Anstatt sich nun im Zorn abzuwenden, reagiert er angemessen im Sinne der korporierten Ehrbegriffe mit einer Forderung zur Satisfaktion. Dass Adam das Duell mannhaft und erfolgreich besteht, imponiert den Corpsbrüdern so sehr, dass seiner weiteren Karriere in der Verbindung wie im Konzern des einflussreichen Alten Herrn nichts mehr im Wege steht – eine Lösung des Problems, die »JF« und »NZZ« offensichtlich behagt.

Tatsächlich wird hier im Grunde eine Debatte verhandelt, die in den letzten zwei Jahrzehnten die Diskussionen über »Metapolitik« innerhalb der Korporationen ebenso bestimmt wie in den Kreisen der Neuen Rechten: Nation, Disziplin, Ehre, Leistungswille, ja selbst das Bekenntnis zum Deutschtum – das sind Kategorien, die nicht länger an ethnischer Herkunft festgemacht werden sollten, will man auf der Höhe der Zeit bleiben.

Eine solche Modernisierung und Öffnung birgt nach Ansicht der »JF« aber auch Gefahren. Ihr Autor nimmt dem Protagonisten die Unterordnung nicht ab: »Schnell erkennt er die Vorzüge des korporativen Lebens und ist fest entschlossen, diese Chance zu nutzen, um sich seinen Platz in der deutschen Gesellschaft zu erkämpfen. Er sieht die Verbindung als Möglichkeit für einen sozialen Aufstieg um jeden Preis.« Und auch die »NZZ« wittert schnöden Materialismus: »Corps sind die Herzkammer der kapitalistischen Ideologie. Damit stehen sie tief in der Mitte der Gesellschaft und müssen sich, Fechtzwang hin oder her, um ihr Fortbestehen wenig Sorgen machen. Das ist kein gutes Zeichen. Nähmen sie hingegen die idealistischen Wurzeln, die sie in der Aufklärung einmal gehabt haben mögen, ernst und Werte und Moral nicht nur als Gerede und Verschleierung für Machiavellismus und Sadomasochismus – dann bekämen sie zwar womöglich wirkliche Nachwuchsprobleme, würden aber zu einer echten gesellschaftlichen Alternative.«

Erfreuliche Aussichten – das lässt auch die Serie erahnen – eröffnen weder der materialistische Kapitalismus noch seine idealistische Verneinung, wie sie der »NZZ« vorschwebt.

Michael Csaszkóczy