Die Normalen

Am 22. Oktober wählte die Schweiz ihr Parlament. Wie vorgeschrieben, durfte ein Viertel mangels Schweizerpass nicht mittun, wie üblich blieb mehr als die Hälfte derer, die mittun durften, der Veranstaltung fern, und wie zu erwarten, haben die meisten, die trotzdem mitgetan haben, ein Schweizerkreuz für die SVP gesetzt. Nach geringen Verlusten in der »Klima- und Frauenwahl« 2019 schickt das kleine Vorbild der AfD nun 62 von 200 Delegierten in den Nationalrat nach Bern. »Jetzt ist die Schweiz wieder normal«, titelte der »Blick« und hat recht damit, wenn auch, weil er diese Schweiz als »Hort der Stabilität« preist statt verteufelt, aus den falschen Gründen.

Die SVP, die in den neunziger Jahren unter der Leitung des Chemie-Milliardärs Christoph Blocher und mit der erfolgreichen Aussprache gegen einen Eintritt in den Europäischen Wirtschafts-raum (EWR) zur klar stärksten Partei aufstieg, ist nun mal dort, wo das Schweizer Herz seit 1291 (oder war’s 1848?) und erst recht in spätkapitalistischen Zeiten kleinbürgerlicher Verrohung am stärksten klopft: bei der Abwehr der »fremden Vögte« und der »schwarzen Schafe«. Nach dem erneuten Wahlerfolg fordert sie, was sonst, eine Verschärfung der Migrationspolitik und das Ende »grüner Träumereien«.

Während die SVP die ohnehin staatsrassistische Migrationspolitik nur noch lauter bejodelt, sind die umweltpolitischen Mehrheiten im Parlament nun wieder so klar, dass selbst zaghafte Reformen, die vormals hätten Chancen haben können, keine Rolle mehr spielen. Auf dem Umweltplan der SVP stehen eine fossil- und atomfreundliche Energiepolitik sowie eine industrie- und chemiefreundliche Agrarpolitik, bis die antibiotikagemästeten Küken und ihre in Schwarzarbeit ausgebeuteten Aufseher gleichsam urangrün leuchten. Denn die SVP weiß, wo die Gefahr dafür liegt, dass auf diesem Planeten nicht nur ein gutes, sondern überhaupt ein Leben möglich ist: »Die bislang nachhaltigste Katastrophe für die Umwelt trägt einen Namen. Und der heißt Sozialismus.«

Der parlamentarischen Linken kommt einmal mehr die Rolle zu, den Gestaltungswillen dieser ganz »normalen« Partei zu bändigen.

Jan Miotti