LK 31

literatur konkret Nr. 31

Mehr Demographie wagen? Die deutsche Familie schlägt zurück

Heute zeigen wir nicht Eva Herman im 'Hamburger Abendblatt', weder auf Seite 1 noch auf den Innenseiten", verspricht der Chefredakteur am 6. September auf Seite 1 desselben. "Denn so manche von Ihnen haben uns in ca. 45 E-Mails und ähnlich vielen Telefonanrufen eine Botschaft geschickt: 'Nun reicht's aber wirklich. An zwei Tagen hintereinander grinst den nun mittlerweile wenig geneigten Leser das Blondchen Eva an. Da bleibt einem glatt das Knusper-Müsli im Hals stecken. Wer ist denn an den Verkaufserlösen des Buches so beteiligt?' - 'Ich halte es für lächerlich, wenn nicht gar unverfroren, das Buch von Eva Herman im Abendblatt derart zu promoten. Die Mehrheit der Öffentlichkeit ist sicherlich daran nicht interessiert.'" Es sei ganz offensichtlich, so der Chefredakteur weiter: "Manche Menschen, prominent oder nicht, werden von Lesern als nicht authentisch empfunden ... Die einzige Macht, die ein Kritiker hat, ist ein Buch zu verschweigen. In diesem Sinne haben wir Macht gestern und vorgestern nicht genutzt."  
Und bereits einen Tag später hat das "Hamburger Abendblatt" schon wieder gesündigt. Unter der Überschrift "Das 'Abendblatt' lädt zur Diskussion" heißt es wiederum auf Seite 1: "Eva - ein Sündenfall? Die Diskussion geht weiter - jetzt sogar vor Publikum: Im 'Abendblatt'-Center ... treffen am kommenden Donnerstag ... die frühere 'Tagesschau'-Sprecherin Eva Herman und die 'Zeit'-Journalistin Susanne Mayer zum Streitgespräch aufeinander." Und daß die Kämpferin "für eine neue Weiblichkeit" auch an den folgenden Tagen in Wort und Bild (auch) im "Abendblatt" präsent ist, versteht sich von selbst.  
Wie man es richtig macht und was zum Eva-Herman-Prinzip (nicht) zu sagen ist, erklärt der Weiblichkeitsexperte Horst Tomayer in seinem Aufruf zum aktiven Widerstand auf S. 11 dieser Ausgabe. Die Redaktion bittet um rege Beteiligung.
 
LITERATUR KONKRET 2006 untersucht, was die übrigen zahlreichen Neuerscheinungen zu den Themen Mutterglück und Väterleid, Brutmaschinen und Karrierefrauen, Patchworkfamilien und schwarze Pädagogik, Demographie und Altenbetreuung beizutragen haben.
 
Während unser Covergirl natürlich keine andere als Eva Herman sein kann, zieren den Innenteil Impressionen unseres "medialen Lebensabschnittspartners" (Georg Seeßlen): der Familienserie "Lindenstraße". Sie sind, mit freundlicher Genehmigung, dem im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin, erschienenen Band Lindenstraße. Tausend Folgen in Text und Bild von Hans W. Geißendörfer und Wolfram Lotze (1.088 Seiten, etwa 6.500 farbige Abbildungen, 99 Euro) entnommen. 

 

Inhalt

  • Du darfst!
    Aber was? Fragt die verzweifelte Hausfrau. Anmerkungen zu Medienklumpen neuer Frauenbilder. Von Georg Seeßlen
  • Schwestern, zur Familie, zur Arbeit!
    Kendra Briken über Beratungsliteratur in Zeiten postfeministischer Arbeitsverhältnisse
  • Der Maulheld
    In seinem Buch zur Gebärunwilligkeit deutscher Frauen will Norbert Bolz die Proteste gleich selbst herbeischreiben. Von Christel Dormagen
  • Der Weiblichkeitsexperte rät (ab)
    Horst Tomayers Antwort auf das Eva-Herman-Prinzip
  • Rattenmütter lieben besser
    Heilberufene und Esoteriker profitieren vom Tanz um den gebärenden Bauch. Von Tina Klopp
  • Rettet Bessings Kinder
    Ein Antrag an das Jugendamt Hannover. Von Marit Hofmann
  • Zum Brüten
    Was wir in den Bereichen Reproduktion und Familie von den Großtrappen lernen können. Von Ilse Blindseil
  • Liebestöter
    Anja Henebury verrät, wie Autoren von Beziehungsratgebern ticken
  • Nach oben offen
    Magnus Klaue unternimmt einen Rundgang durch die labyrinthischen Weiten des modernen Männerhirns
  • Strafe muß sein
    Erziehungsratgeber wollen ohnmächtigen Eltern wenigstens ein gutes Gefühl verschaffen. Von Tjark Kunstreich
  • Irrsinn mit Methode
    Die Demographiedebatte dreht sich um ein Problem, das es nicht gibt. Von Sahra Wagenknecht
  • Ausgeblutet
    Die finanzielle Unterstützung für Schwangerschaftsabbrüche soll gestrichen werden. Sarah Diehl über neue Gebärzwänge
  • Weltbruchstück
    Hermann Peter Piwitts neuer Roman ist voller Sottisen gegen das Menschenvermehren. Von Kay Sokolowsky
  • Seniorenpreis
    Philip Roth denkt über Jugend-Besessenheit, Alter und Tod nach. Von Layla Dawson
  • Brit and down
    Layla Shahs Familienroman gewährt Einblicke in die Pathologie der rassistischen Realität Europas. Von Bea Dorn
  • Rezensionen
    13 Autorinnen und Autoren stellen 17 neue Bücher vor
    - Fanny Müller über Hera Lind: Die Champagnerdiät
    - Sarah Diehl über Maria S. Rerrich: Die ganze Welt zu Hause
    - Fritz Tietz über Heike Reuther (Hg.): "Stärker als je zuvor ..." Wie das Leben ohne Partner weitergeht
    - Marit Hofmann über Matthias Keidtel: Ein Mann wie Holm
    - Tiemo Rink über Markus Breitscheidel: Gesundgepflegt statt abgezockt. Wege zur würdigen Altenbetreuung
    - Michael Sailer über Hermann Kinder: Mein Melaten
    - Michael Saager über Clemens Meyer: Als wir träumten
    - Ina Bösecke über Zadie Smith: Von der Schönheit
    - Martin Büsser über Frank Wagner/Kasper König/Julia Friedrich (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960
    - Bea Dorn über Serap Cileli: Wir sind eure Töchter, nicht eure Ehre / Dilek Güngör: Unter uns. Meine türkische Familie und ich / Julia Maier: Doppelter Boden. Deutsche Türkinnen zu Hause
    - Sahar Nadi über Lilly Freud-Marlé: Mein Onkel Sigmund Freud / Eva Weissweiler: Die Freuds. Biographie einer Familie
    - Katrin Hildebrand über Jane Moseley/Jackie Strachan: Man-Management
    - Michael Rudolf über Ulf Poschardt: Einsamkeit. Die Entdeckung eines Lebensgefühls
    - Michael Rudolf über Moritz von Uslar: Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005